Einführung zur Korrespondenz von Hans Werner Henze und Paul Sacher

Zur Korrespondenz von Hans Werner Henze (1926–2012) und Paul Sacher (1906–1999)

Die Korrespondenz zwischen Paul Sacher und Hans Werner Henze umfasst 359 postalische Dokumente, von denen 180 von Sacher geschrieben sind und 179 von Henze, wobei für beide gelegentlich auch Sekretär*innen und andere Personen geschrieben haben. Es handelt sich um postalische Dokumente aus den Jahren 1952 bis 2000. Hinzu kommen 9 beiliegende Dokumente. Die Korrespondenzsprache ist deutsch – nur einige Telegramme sind auf italienisch verfasst.

Beide Korrespondenzteile sind in der Paul Sacher Stiftung überliefert, die Briefe Henzes in der Paul-Sacher-Sammlung, die Briefe Sachers in der Hans-Werner-Henze-Sammlung.

Da der Briefwechsel sehr vollständig überliefert ist, werden Verweise auf die unmittelbar vorangehenden und folgenden Briefe nicht immer explizit angegeben.

Da es sich bei diesem Briefwechsel überwiegend um eine „geschäftliche“ Korrespondenz handelt, erfolgte sie meist maschinenschriftlich. Außerdem hat Sacher von Anfang an Durchschläge der Briefe an Henze in seinen Akten abgelegt, so dass der Briefwechsel fast vollständig (und zu einem größeren Teil mit Original und Durchschlag) erhalten ist.

Die Briefe Henzes liegen in der Frühzeit jedoch handschriftlich vor, da Henze das Schreiben auf der Schreibmaschine mied und auch nicht gut beherrschte. Erst in späterer Zeit, als er sich in seiner Korrespondenz durch Sekretär*innen unterstützen ließ, sind seine Briefe auch überwiegend maschinenschriftlich und legte er auch Durchschläge ab.

Paul Sacher

Paul Sacher verwendete von Beginn der Korrespondenz mit Henze an sein eigenes Briefpapier , das von Jan Tschichold gestaltet wurde, der auch für die Musikakademie Basel arbeitete (vgl. den Nachlass von Jan Tschichold in der Deutschen Nationalbibliothek DBSM.StSlg.NL.Tschichold .). Die Durchschläge erfolgten auf einem gelblichen dünnen Papier.

Die von Sacher bzw. seinen Sekretärinnen verwendete Schreibmaschine besaß lange Zeit keine „1“, weshalb diese durch ein „l“ ersetzt wurde. In der Regel wurden nach den satzschließenden Zeichen wie Punkt, Fragezeichen und Ausrufezeichen doppelte Leerzeichen gesetzt. Wie in der Schweiz üblich, wurde kein „ß“ verwendet.

Auf den maschinenschriftlichen Briefen und damit auch auf deren Durchschlägen ist unten am Blattrand immer vermerkt, an welche Adresse der Brief gegangen ist.

Nur sehr „private“ Briefe Sachers liegen handschriftlich vor. Sie wurden mit Füllfederhalter in seiner recht großen und charakteristischen, aber gut lesbaren Handschrift geschrieben. Sacher verwendete dabei für ein „und“ immer ein „&“. Die verwendete Tinte ist blau mit einem deutlichen Einschlag ins lila.

Hans Werner Henze

Über den großen Zeitraum der Korrespondenz hinweg lässt sich die Entwicklung von Henzes Handschrift gut nachvollziehen: Hierzu gehört die auch in den übrigen Einführungen zu den Korrespondenzen beschriebene Entwicklung von einer normalen Schreibschrift zu der später charakteristischen Handschrift mit oft unverbundenen Buchstaben (wie Druckbuchstaben wirkend) und weiten Abständen zwischen den Worten. In den frühen Jahren schrieb Henze das große „I“ als „J“ (übrigens auch in den maschinenschriftlichen Briefen), und später wandelte sich das „I“ zu einer römischen 1. Ferner wechselte er von der üblichen Groß-/Kleinschreibung zu einer einheitlichen Kleinschreibung, bei der nur die Anreden und Namen groß geschrieben wurden. In den letzten Jahren (1990er Jahren) kehrte Henze zur üblichen Schreibweise zurück.

Henze schrieb anfangs häufig mit Füller, später auch mit Kugelschreiber und dann viele Jahre mit einem Filzstift, häufig mit einem sog. Fineliner. Doch Ende März 1997 klagte er:

„ich komme mit diesen modernen Schreibgeräten nicht gut zurecht, bald werde ich wieder mit Feder und Tinte schreiben, habe die Werkzeuge schon im März letzten Jahres in Basel erworben, hatte aber noch keine Zeit, sie auszuprobieren – es braucht Zeit & Ruhe.“

Wenn Henze in den frühen Jahren persönlich die Schreibmaschine verwendete, gibt es recht viele Korrekturen (maschinen- oder handschriftlich) und nach den Satzzeichen meist keine Leerzeichen.

Persönliches Briefpapier verwendete Henze erst ab 1962, nachdem er seinen festen Wohnsitz in Castelgandolfo bezogen hatte. In Marino wechselt der Adressaufdruck über die Jahre, aber das meist dünne, hellblaue Papier bleibt konstant. Henze besaß aber auch eine Variante mit hellem Papier und in mindestens zwei Größen, sowie auch einfache und gefaltete Karten mit Adressaufdruck. Sein Briefpapier beschrieb Henze gelegentlich quer (vgl. Materialbeschreibung), was zu ungewöhnlich langen Textzeilen führt.

Im Gegensatz zu den übrigen Korrespondenzen, die bisher auf Henze digital publiziert werden konnten, wurde der Briefwechsel Henze/Sacher nicht ausgelöst durch die Arbeit an gemeinsamen Werken, sondern war bestimmt von Sachers Mäzenatentum, weshalb im Folgenden andere Rubriken aufgelistet werden als in den übrigen Korrespondenzen. (Die Daten in Klammern bezeichnen den Zeitraum, in dem das Ereignis Thema der Korrespondenz ist und bei Kompositionen nicht die Entstehungszeit des Werkes.)

Henze als Dirigent

Henze als Gastdirigent beim Collegium Musicum Zürich und beim Basler Kammerorchester:

  • Zürich: 7. Dezember 1956 (1955 – Dezember 1956)
  • Zürich: 14. Dezember 1962 (April 1962 – Dezember 1962)
  • Zürich: 17. Oktober 1975 (mit dem Kontrabass-Konzert) (Dezember 1967, Februar 1975 – Oktober 1975)
  • [Basel: geplantes Konzert mit Eroica und Heliogabalus (Nov. 1975)]
  • [Konzertserie Anfang Januar 1981: Zürich (2.–7. Januar), Basel (7.–10. Januar) Korrespondenz: Dezember 1980] nicht mit CMZ und BKO, sondern mit dem Tonhalle-Orchester.
  • Zürich: 30. Januar 1983 (abgesagt) (Mitte Dezember 1981– 8. September 1982)
  • Zürich: 14. Januar 1984 (= „Ersatz“ für Januar 1983) (Oktober 1982–Januar 1984)
  • Basel: 25. Oktober 1985 (BKO + Basler Sinfonie-Orchester) (22. Dezember 1982–Oktober 1985 )
  • Zürich: 23. März 1987 (nicht ausgeführt) (erwähnt: 20. 12. 1985)

Henze als Komponist

Auftragskompositionen bzw. Sacher gewidmete Kompositionen

Erwähnungen von Auftragskompositionen, die nicht zur Ausführung gelangt sind

Für Paul Sacher zu Geburtstagen geschriebene Kompositionen

Auftragskompositionen für Henze, die Paul Sacher vermittelt hat oder vermitteln wollte

Personen und Organisationen, für die sich Henze bei Paul Sacher einsetzte bzw. um Unterstützung bat

Persönliche Treffen von Henze und Sacher unabhängig von Konzerten und Uraufführungen in Basel oder Zürich

Besuche von Paul Sacher in Marino

  • 30. Juni bis 2. Juli 1991: 65. Geburtstag von Henze
  • Oktober 1995: mit Freunden überraschend
  • 1. Juli 1996: Mittagessen

Da diese Liste bei dem langen Zeitraum der Korrespondenz sehr umfangreich werden würde, verweisen wir hierzu auf das Werkregister der Korrespondenz.

Die Korrespondenz zwischen Paul Sacher und Hans Werner Henze ging von Paul Sacher aus, der Hans Werner Henze im August 1955 als Dirigent zu einem Konzert mit dem Collegium Musicum Zürich einlud. (Dass Henze aber Sacher bereits sehr früh als „wichtige“ Persönlichkeit im Blick hatte, zeigt die Einladungskarte zur Premiere von Boulevard Solitude zu Beginn der Korrespondenz, die wahrscheinlich auf Henzes Veranlassung an Sacher geschickt worden war.) Beide hatten sich spätestens bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik 1955 kennen gelernt, bei denen Henze in der „Internationalen Arbeitsgemeinschaft junger Komponisten“ aktiv war und Sacher ein Orchesterkonzert mit dem Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks im Rahmen der „Woche für Neue Musik“ in Frankfurt dirigierte. Sacher hat Henze immer wieder als Dirigenten eingeladen und die Korrespondenz in diesem Zusammenhang ist neben der Terminfindung vor allem von der Programmgestaltung der Konzerte bestimmt.

Der zweite Schwerpunkt der Korrespondenz betrifft die Vergabe von Kompositionsaufträgen für die Ensembles von Paul Sacher – neben dem Collegium Musicum Zürich (CMZ) vor allem das Basler Kammerorchester (mit dem Basler Kammerchor) und später das Basler Schlagzeug-Ensemble. Da Sacher nach ersten Absprachen zur Besetzung dem Komponisten freie Hand ließ, geht es in der Korrespondenz dann vor allem um die Fixierung von Uraufführungsdaten und Fragen zur Ausführung. Die Uraufführungen wurden von Paul Sacher dirigiert.

Ab 1984 war ferner die Übernahme von Henzes Manuskripten in die Paul Sacher Stiftung ein wesentliches Thema.

Ging in den frühen Jahren die Korrespondenz häufig von Sacher aus, so änderte sich dies in der späteren Zeit (vor allem ab Mitte der 1980er Jahre), in der Henze häufiger Sacher zu Aufführungen einlud und damit auch versuchte, den persönlichen Kontakt aufrecht zu erhalten und zu intensivieren. In dieser Zeit schrieb Henze Sacher immer wieder auch als Mäzen für seine Aktivitäten in Montepulciano und München (Biennale) an.

Von Anfang an ist der Briefwechsel geprägt von gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen, wobei es nicht verwundert, dass die Briefe Sachers in der Regel sehr sachlich und knapp sind, wie auch Henze in dem Brief vom 20. Oktober 1967 beklagt:

„Von Paul bekomme ich, und auch nur sehr gelegentlich, knallharte, knappe, kurzangebundene Kostproben, statt blühender bildreicher verbindlicher billets doux – Lebenszeichen, nit mehr“

Die Beziehung von Paul Sacher und Hans Werner Henze entwickelte sich von einer „geschäftlichen“ Beziehung zu echter Freundschaft, wobei wohl zu beachten ist, dass es Sacher häufig gelang, zu „seinen“ Komponisten freundschaftliche Beziehungen aufzubauen (vgl. Bibliographie).

Neben Sachers Großzügigkeit, was die Zahlung von Reise- und Hotelkosten betrifft, gehören hierzu vor allem die persönlichen Treffen, bei denen er oft von seiner Frau Maja Sacher-Stehlin begleitet wurde, und vor allem die „berühmten“ Einladungen auf den Schönenberg, seine Villa in der Nähe von Basel. Nach seinem ersten mehrtägigen Besuch1 auf dem Schönenberg schreibt Henze am 11. Dezember 1966:

„Es waren schöne Tage, ich habe sie sehr genossen, die Ruhe, die Möglichkeit, sich zu konzentrieren, aber vor allen Dingen Ihr beide, so gut zu mir (und geduldig im Zuhören) und so perfekte Gastgeber, so lieb. Bin sehr glücklich darüber, dass wir uns nun so viel besser kennen und verstehen. Bisher konnte ich Eure Art und Euer Wesen zwar spüren und vermuten und gelegentlich etwas davon mitgeteilt bekommen: Nun haben sich aber Gespür und Vermutung konkretisiert und nun weiss ich dass Ihr zauberhaft seid, und witzig und humorvoll und so voller Kultur und menschlicher Wärme und hoher Massstäbe –“

Und Sacher antwortet (mit einem seiner wenigen handschriftlichen Briefe):

„Ich bin froh, Dich näher zu kennen (dadurch verstehe ich auch Deine Musik noch besser!), & Du weisst nun Bescheid über den Schönenberg & das arbeitsreiche Leben seiner Bewohner. […] Oft denke ich an Dich, seit Du uns verlassen hast. Wirst Du wohl immer ein vielfach verstrickter, aber einsamer Mensch bleiben?“

Von diesem Aufenthalt an duzten sich Henze und Sachers und die Briefe wurden auch von Sachers Seite aus im Tonfall gelegentlich privater. Hatte Henze auch schon vorher immer Maja Sacher in seine sehr wertschätzenden Grüße eingeschlossen, so wurden diese jetzt ausführlicher und aufrichtig herzlich: „Bitte grüsse die Maja viel tausendmal!“ (Brief vom 12. Januar 1967), „Bitte grüsse die Maja vielmals und mit hunderttausend Umarmungen von mir“ (Brief vom 20. März 1967), „Bitte sage Maja alles Liebe von mir“ (Brief vom 29. November 1967). Die Grüße an Maja Sacher enden ca. 1984, nachdem Henze von ihrer schwerer Erkrankung erfahren hatte. In den folgenden Jahren fügte Henze Grüße an Sacher nahestehende Personen an.

Die Besuche Henzes auf dem Schönenberg waren für ihn auch später immer wieder einer besonderen Erwähnung und eines ausführlichen Dankes wert. Sehr bald hatte Henze eine Gegeneinladung nach Marino ausgesprochen, doch konnte Sacher diese erst sehr spät wahrnehmen: Sein erster Besuch in Marino erfolgte zu Hans Werner Henzes 65. Geburtstag am 1. Juli 1991, und es schlossen sich zwei weitere Besuche 1995 und 1996 an. Sacher schrieb am 18. Oktober 1991:

„Ich habe eine wunderbare Erinnerung an den Besuch und die Tage, die ich gemeinsam mit meinem Sohn in Deinem zauberhaften Hause verbringen durfte. Deine liebe Gastfreundschaft ist mir unvergesslich.“

Die tiefe Verbundenheit beider zeigt sich vor allem in den späten Briefen.

Am 15. September 1992 schrieb Henze nach einem erneuten Besuch auf dem Schönenberg:

„Ich hatte eine schöne Zeit bei Dir und danke Dir herzlich für die grosszügige Gastfreundschaft und die schönen, wohltuenden Gespräche. Du bist ein ganz besonderer, mit niemand zu vergleichender Mensch.“

Und im Mai 1996 dankte Paul Sacher für Henzes Komposition zu seinem 90. Geburtstag: „Du bist ein guter Mensch, da Du mir eine so innige Musik schenkst.“

Das soll nicht heißen, dass es zwischen beiden nicht auch einmal Diskrepanzen gab: Manche Absprachen zu Konzertprogrammen zogen sich hin (vgl. vor allem die Absprachen zum Konzert am 17. Oktober 1975) und man weiß nicht, was Paul Sacher bei manchen Geldforderungen von Henze wirklich gedacht hat: Die Antworten waren sachlich eindeutig und Henze hat sie immer ohne Widerspruch und Verstimmung akzeptiert.

Henze als Dirigent

Wie bereits erwähnt, begann die Zusammenarbeit zwischen Sacher und Henze mit einem Engagement Henzes als Dirigent des Collegium Musicum Zürich (im folgenden CMZ) am 7. Dezember 1956. Ob und wo Sacher Henze bereits dirigieren sah, ist nicht bekannt, doch muss Sacher es ihm zugetraut haben. Henze hatte von Anfang an dirigiert, vor allem auch während seiner ersten Stellen als Ballett-Kapellmeister in Konstanz und Wiesbaden (vgl. hierzu den Briefwechsel mit Weil/Jockisch ). Er war aber im Dirigieren ein Amateur. Klaus Geitel berichtet, dass Henze im Zusammenhang mit diesem ersten Konzert mit dem CMZ seinen ersten Dirigierunterricht erhielt: (Geitel, S. 47)

„Sacher und Hans Rosbaud, der sich gerade in Zürich aufhielt, halfen Henze nun nachzuholen, was er bis dahin zu lernen versäumt hatte. Vor allem Hans Rosbaud gab sich rührende Mühe mit dem ihm überraschend zugewachsenen Schüler. Jeden Morgen um sieben Uhr erschien er im Hotel und gab ihm in der Halle Dirigierunterricht, den ersten seines Lebens. Rosbaud wies auf eine taktwechselreiche Passage in ROSA SILBER und fragte: ‚Wie schlagen Sie an dieser Stelle den 7/8-Takt?‘ Aufgeregt führte Henze vor, wie er sich das Dirigieren seines Stückes gedacht hatte, aber Rosbaud unterbrach ihn sofort: ‚Nein, nein, das ist ganz falsch. Zu große Bewegungen. Sie erhitzen sich. Man muß an diesen schwierigen Stellen ganz kalt werden, kalt bis ins Herz.‘

Henze erwähnt diesen ersten Unterricht ebenfalls in seiner Autobiographie, S. 185f.2: Nach seiner Beschreibung hatte er um Hilfe gebeten:

„Hatte schlagtechnische Schwierigkeiten, besonders mit dem Schubert, und bat Hans Rosbaud, der damals in Zürich wohnte, mir beizustehen. Er kam daraufhin die ganze Probenwoche hindurch täglich frühmorgens zu mir ins Hotel, um mir Stunden zu geben, und begleitete mich auch zu der einen oder anderen Probe, bei denen auch Sacher mir beistand: Dies ist wohl der einzige Dirigierunterricht gewesen, den ich je genossen habe, alles andere hat die Praxis bringen müssen.“

Noch für die Zeit um 1963 schreibt Henze:

„Als Dirigent war und blieb ich Amateur, brauchte deshalb die besten Orchester, solche, die sich nicht für meine Schlagtechnik, sondern die von mir aufs Programm gesetzten Stücke interessierten.“ (Autobiographie S. 230)

Das erste Konzert mit dem CMZ war erfolgreich. Henze schrieb:

„es war wunderbar in zürich, ich muss immerzu daran denken und möchte Jhnen noch einmal herzlichst danken, dass Sie mir die möglichkeit gegeben haben, mit dem collegium musicum zu musizieren. es war eine schöne erfahrung, sehr wichtig und ermutigend für mich.“

Sacher antwortete: „Ihr Konzert mit dem Collegium Musicum Zürich hat mir grosse Freude bereitet, und ich bin froh, dass Sie damit so viel Erfolg hatten.“

Unmittelbare Folge dieses Konzertes war Sachers erster Kompositionsauftrag für Henze (s.u.). Das nächste Konzert fand erst sechs Jahre später am 14. Dezember 1962 statt. In diesem erklang u. a. Henzes Kammermusik 1958, wiederum, wie im ersten Konzert Apollo und Hyazinthus, ein Werk mit vielen Einzelinstrumenten und nicht mit chorisch besetzten Streichern, wie sie die Basis des CMZ waren – ein Umstand, der immer wieder für Diskussion sorgte, da Sacher es bevorzugte seine Züricher Streicher als Basis seiner Aufführungen zu verwenden.

Die Diskussion um das Programm für Henzes nächstes Konzert mit dem CMZ am 17. Oktober 1975 war etwas heftiger, zumal Henze noch sehr kurzfristig, nachdem das Programm bereits durch das Komitee genehmigt und das Generalprogramm für die Saison 1975/1976 gedruckt war, ein Stück austauschen wollte. In diesem Fall setzte sich Henze durch. Das Konzert war ebenfalls erfolgreich und Henze war beglückt von der Arbeit mit dem CMZ (vgl. den Brief vom 7. November 1975).

Ein wohl bei diesem Zusammentreffen vage geplantes Konzert mit Henzes Heliogabalus und Beethovens Eroica wurde nicht umgesetzt (Nov. 1975), und an einer Konzertserie Henzes im Januar 1981 zuerst in Zürich und dann in Basel waren wohl weder das CMZ noch das BKO beteiligt.

Das nächste Konzert mit dem CMZ wurde dann für den 30. Januar 1983 geplant – hierbei waren die Programmabsprachen sehr unkompliziert –, doch musste Henze am 8. September 1982 absagen, um seine Oper The English Cat fristgerecht abschließen zu können. Es wurde dann um ein Jahr auf den 14. Januar 1984 verschoben, wobei Henze auch das Programm wechselte, aber die Planung mit einem Klavierkonzert von Mozart, die Sacher für 1983 vorgegeben hatte, beibehielt. Wiederum bedankte sich Henze anschließend (16. Januar 1984) sehr bei Sacher und lobte ausdrücklich das CMZ:

„Ich danke Dir für eine schöne Woche in Zürich und für Deine Grosszügigkeit. Es war ein wahres Vergnügen, mit dem Collegium Musicum zu arbeiten. Es herrscht dort eine echte Musikbegeisterung und wirklich spürbares intellektuelles Interesse. So etwas kommt selten vor, dass die Proben eine Freude sind und keine Strapaze – so müsste es immer sein.”

Und Sacher reagierte umgehend (18. Januar 1984): „Dein Konzert mit dem Collegium war wunderbar, die Zusammenarbeit mit den Collegianten ausgezeichnet!“

Nachdem sich Henze bei der erneuten Anfrage gewundert hatte, warum Sacher ihn nicht auch einmal zum BKO einlud, bot Sacher ihm einen Konzerttermin mit diesem und dem Basler Sinfonie-Orchester im Oktober 1984 an, was dann am 25. Oktober 1985 umgesetzt wurde. Sacher hatte sich ein reines Henze-Programm gewünscht – ein Wunsch, den Henze selbstverständlich gerne erfüllte. Wie immer zeigen die Briefe direkt nach dem Konzert, dass diese Treffen künstlerisch und persönlich für beide sehr wichtig waren.

Dies war zugleich Henzes letztes Konzert mit einem der Ensembles von Paul Sacher. Pläne für ein Konzert am 23. März 1987 scheinen sich zerschlagen zu haben (das Konzert wurde von Cristóbal Halffter dirigiert), ohne dass aus der Korrespondenz der Grund hervorginge.

Henze als Komponist

Bei der Korrespondenz um die Werke, die Henze im Auftrag von Paul Sacher komponierte, gibt es immer wiederkehrende Themen: Besetzung, Uraufführungstermin, Fertigstellung, Abschlagszahlungen auf das Honorar, Übersendung einer Kopie des Mitschnitts. Darüber hinaus gibt Henze meist bei der Mitteilung des Abschlusses der Komposition interessante Einblicke in die „Idee“ des Werkes, die später z. T. in die Einführungen, die sich Sacher für die Aufführungen erbat, einflossen.

Henze nahm an allen Uraufführungen teil, was ebenfalls unterschiedlich ausführlich Gegenstand der Korrespondenz ist, und er bedankte sich stets unmittelbar nach dem Termin schriftlich.

Auftragskompositionen bzw. Sacher gewidmete Kompositionen

Sonata per archi (1957/1958)

Den Auftrag zu dieser Komposition für das CMZ erhielt Henze nach dem erfolgreichen Konzert mit diesem Ensemble am 7. Dezember 1956. Henze komponierte das Werk im Herbst 1957 und schrieb am 7. Juli 1957 an Sacher:

“es draengt mich,Jhnen zu sagen,wie gluecklich und dankbar ich bin,fuer Sie dieses stueck zu schreiben,und ich hoffe es ist der beginn einer schoenen kuenstlerischen verbundenheit.“

Gleich zu Beginn der Zusammenarbeit hat Henze Sachers Großzügigkeit strapaziert, indem er das Honorar und die Reisekosten vorab erbeten hatte und die Komposition erst zwei Monate vor dem Uraufführungstermin (21. März 1958) abschloß, doch war diese Komposition ein großer Erfolg und wurde immer wieder vom CMZ gespielt.

Unmittelbar nach der Uraufführung schrieb Henze:

“mein erster brief nach meiner rueckkehr gilt Jhnen,und mein erstes wort soll noch einmal dank sein fuer Jhr schoenes dirigieren meines werks,fuer das verstehen,das da heraus sprach,fuer die wiedergabe aller dieser monologe und der kalten einsamen winde die durch den zweiten teil wehen.daran muss ich immer denken,und ich bin froh,dass alles so schoen war,auch dass das publikum nicht in rasenden beifall ausgebrochen ist,denn das waere nicht richtig gewesen bei diesem stueck.die perplexitaet (die eine wiede[r]holung vielleicht etwas verringert haette) war genau richtig als reaktion.”

Das Werk wurde Maja und Paul Sacher gewidmet.

Cantata della fiaba estrema (1963)

Bei dieser Kantate liegt ein Sonderfall vor: Die Kantate war bereits komponiert, bevor sich Sacher dafür interessierte – zumindest legt dies die überlieferte Korrespondenz nahe. Die erste Erwähnung erfolgte im Januar 1964, doch sind in diesem Fall Verluste möglich, da keine Briefe zwischen August 1962 und Januar 1964 erhalten sind. Henze hat aber auch diese Kantate Maja und Paul Sacher gewidmet.

Die Korrespondenz zu der Kantate ist umfangreich, da es nach der Uraufführung in Zürich am 26. Februar 1965 gleich eine zweite Aufführung am 12./13. Mai 1966 in Basel gab und die Besetzung bei beiden Aufführungen wechselte.

Henze schrieb am 5. März 1965:

„Das war ein wunderschöner Abend für mich, ich war ganz ruhig und sicher und voller Freude (natürlich auch darüber, dass es ein gelungenes Werk zu sein scheint –) über die Aufführung, so sauber, klar, zart und einfühlsam.“

Und Sacher antwortete am 15. März 1965:

“Aber ich möchte nicht nur dafür danken, sondern vor allem für Ihr Werk, das ich in Zürich uraufführen durfte. Die ‚Cantata della fiaba estrema‘ ist so anziehend und geheimnisvoll, dass sich keine empfindsame Seele dem Zauber Ihrer Musik entziehen kann. Ich bin stolz, dass die Partitur mir gewidmet ist und froh und dankbar für das reibungslose und schöne Zusammenwirken in den Proben.“

(Vgl. auch das Bild nach der Uraufführung in Fünfzig Jahre Collegium Musicum Zürich, nach S. 192)

Wenig später versuchte Henze Paul Sacher für die Aufführung der Chorfantasie zu gewinnen, doch lehnte Sacher dies nach Kenntnis der Partitur ab, weil der Basler Kammerchor für die Ausführung dieser Komposition nicht geeignet sei. (September bis November 1965).

Doppio Concerto (1966)

Der Auftrag für das Doppelkonzert für Oboe und Harfe geht auf eine Anfrage von Heinz Holliger zurück, wie der erste Brief der Korrespondenz zu diesem Werk am 2. November 1964 zeigt: Holliger wünschte sich ein Konzert von Henze entweder für Oboe oder für Oboe und Harfe, und Sacher war bereit, dies zu fördern, weshalb er die Korrespondenz übernahm.

Nachdem Sacher schon in Sorge war, ob das Konzert rechtzeitig vor der Uraufführung fertig werde, konnte Henze am 24. Juli 1966 (kurz vor der Uraufführung der Bassariden in Salzburg am 8. August 1966) dessen Abschluss melden.

Die Uraufführung erfolgte im Rahmen des Festkonzertes zum 25jährigen Bestehen des CMZ am 2. Dezember 1966. Nachdem es diesmal etwas Missstimmung zwischen Henze und Sacher wegen dessen später Anreise zu den Proben zur Uraufführung gab, war auch diese Uraufführung wiederum sehr erfolgreich, und Sacher schrieb am 27. Dezember 1966: „Maja & ich sind beglückt vom Doppelkonzert & danken Dir von Herzen für diese herrliche Gabe.“

Dass es diesmal keinen schriftlichen Kommentar von Henze zur Aufführung gibt, liegt an der Tatsache, dass Henze anschließend fünf Tage bei Sachers auf dem Schönenberg gewohnt hat und sich sein Brief vom 11. Dezember 1966 ganz auf dieses Ereignis bezieht (s. o.).

Die Korrespondenz zu diesem Werk setzte sich weiter fort, weil es wie die Cantata auch in Basel gespielt wurde (22./23. Februar 1968) und weil es – gemeinsam mit der Fantasia für Streicher und der Sonata per archi – bei der Deutschen Grammophon-Gesellschaft auf Schallplatte eingespielt wurde.

Auch im Zusammenhang mit der Aufnahme vom 2. bis 8. Juli 1968 in Winterthur gab es eine leichte Verstimmungen zwischen Sacher und Henze, da es zunächst so aussah, als könne Henze bei der Aufnahme nicht dabei sein, doch wurde auch dies gelöst. Im Zusammenhang mit der Aufnahme wurden auch erstmals die Rollen zwischen Sacher und Henze ein wenig „getauscht“, da hierbei Sacher den Komponisten um Unterstützung bitten musste, denn die Deutsche Grammophon plante zwischendurch, die Aufnahme mit einem anderen Orchester durchzuführen.

Compases para preguntas ensimismadas (1969/70)

Die Korrespondenz zu dem Bratschenkonzert ist recht unkompliziert, doch startet sie mit einem sehr offenen Brief an Sacher vom 27. November 1968, in dem Henze zum ersten Mal sein politisches Engagement anspricht und die damit für ihn verbundenen Einschränkungen:

„Die andere Sache ist, daß mein politisches Engagement sich so entwickelt hat, daß ich unmöglich von der öffentlichen Hand in der Bundesrepublik weiterhin Geld annehmen würde, also daß ich auf private Unterstützung angewiesen sein werde, und das ausschließlich.“

Wie die folgenden Briefe zeigen, teilte Sacher Henzes politisches Engagement nicht (vgl. die Korrespondenz zur Zeit von Henzes Brief vom 11. Oktober 1969), doch bedeutete dies für ihn nicht, Henze keine Aufträge mehr zu geben: Die Zusammenarbeit blieb nicht nur professionell und erfolgreich, sondern auch von Freundschaft geprägt.

Henze schrieb nach der Uraufführung am 14. Februar 1971:

„es war sehr schön in basel, ich war so glücklich über die aufführung, so sauber und wohldurchdacht und kultiviert, und über Deine treue und freundschaft! noch einmal dank für alles –„
Zweites Violinkonzert (1971/1972)

Unmittelbar nach der Uraufführung der Compases begann Henze die Komposition an dem 2. Violinkonzert für seinen Freund und den Ersten Konzertmeister des CMZ Brenton Langbein:

„Als Sacher mich nun nach der Generalprobe fragte: ‚Was machen wir als nächstes?‘, hatte ich ein Violinkonzert vorgeschlagen, zumal Brenton Langbein, der charmante Geiger und Konzertmeister, gerade dabeisaß, für den ich schon immer gern ein Stück geschrieben hätte.“ (Autobiographie, S. 373)

Henze plante für dieses Konzert von Anfang an auch den Einsatz von Elektronik, Text und Aktion des Solisten, was Sacher besonders bezüglich der Elektronik nicht begeisterte (vgl. auch die Beschreibung der ersten Ideen am 15. Februar 1971 gegenüber Enzensberger). Er schloss dieses Werk bereits Ende Juni 1971 ab, weil er auf Grund von Verzögerungen Enzensbergers bei der Erarbeitung des Texts für La Cubana gerade Muße hatte.

Die Skepsis bezüglich der elektronischen Mittel blieb bis zum Schluss bei Sacher präsent, vor allem als er das Zuspielband gehört hatte (vgl. den Brief vom 24. Oktober 1972), doch vertraute er auch in diesem Fall Henze, und im Anschluss an die Uraufführung schrieb Sacher am 15. November 1972:

„Es war schön, Dich hier zu haben, und für mich ein Vergnügen, Dein zweites Violinkonzert mit Brenton aufzuführen. Ich hoffe, dass sein Name im definitiven Druck der Partitur auch genannt wird.

Die Aufnahme Deines Stückes fand ich sehr erfreulich. Sowohl die religiöse Andacht am Donnerstag, wie die lautstarken Aeusserungen am Freitag liessen auf eine echte Reaktion der Zuhörer schliessen.“

Auch dieses Werk wurde für Schallplatte (gemeinsam mit den Compases) aufgenommen, doch diesmal nicht unter Sacher und mit einem seiner Orchester, sondern mit der London Sinfonietta unter der Leitung von Henze selbst (aber mit den Solisten der Uraufführungen), weshalb diese Aufnahme nicht Thema der Korrespondenz ist.

Auftrag Januar 1984 (Ode an eine Äolsharfe)

Nach Henzes Konzert am 14. Januar 1984 in Zürich sprachen Henze und Sacher erneut über eine Auftragskomposition, bei der Henze von Anfang an an ein Gitarrenkonzert dachte, was aber Paul Sacher für sein CMZ nicht wirklich gefiel. Letztlich komponierte Henze dieses Werk für die Internationalen Musikfestwochen Luzern, doch belegt der Brief vom 24. Oktober 1986, dass Sacher diese Komposition dennoch unterstützte:

„Ja, in Luzern war es schön, und das neue Stück hat den Leuten (ich glaube, auch den Journalisten) und auch mir gut gefallen. (Man kann es noch besser musizieren, als es bisher der Fall war). […]

Aber Du warst nicht dabei, lieber Paul! Ich habe das und Dich sehr vermisst, muss ich schon sagen. Ich wusste natürlich, dass Du nicht kommen konntest und warum, aber es war doch ein seltsames Gefühl. Ich hoffe, Du kannst das Stück selbst bald einmal hören, es ist ja zu 50 % Dein eigenes immerhin. Und so darf ich Dir jetzt noch einmal ganz herzlich danken für die Freundlichkeit, die Du mit der Kofinanzierung des Luzerner Auftrags mir erwiesen hast.“

10. Sinfonie (Februar 1998–2000)

Im September 1997 wohnte Paul Sacher der Uraufführung von Henzes 9. Sinfonie in Berlin bei und schrieb am 15. September 1997:

„Der Besuch in Berlin war in jeder Beziehung ein Ereignis. Zunächst ist es eine ganz besondere Freude, Dich geistig und physisch in so hervorragender Weise wiederzufinden. Dann ist Deine 9. Symphonie, deren Uraufführung ich beiwohnen durfte, ein Meisterwerk, das mich sehr ergriffen hat.”

Im Anschluss an diese wohl letzte persönliche Begegnung mit Henze erteilte ihm Paul Sacher gemeinsam mit der Paul Sacher Stiftung den Auftrag zur Komposition einer 10. Sinfonie, die in Luzern uraufgeführt werden soll. Auffällig ist hierbei Sachers Formulierung: „Ich bin sehr stolz, dass Du uns die Erlaubnis zu diesem Auftrag gibst und wir werden Deine Arbeit mit grösster Anteilnahme verfolgen.“ (10. Februar 1998)

Henze bestätigte diesen Vertrag am 23. Februar 1998 mit den Worten: „Ich bin stolz auf meinen Auftrag, und zufrieden, und von der Dankbarkeit erfüllt, die Du kennst und von deren Echtheit Du weisst.“

Paul Sacher geschenkte Kompositionen

Capriccio (1976, 1981)

Zu Paul Sachers 70. Geburtstag am 28. April 1976 hatte der Cellist Mistlav Rostropowitsch 12 Komponisten gebeten, ein Stück über den Namen eS-A-C-H-E-Re zu schreiben, die er in einem Geburtstagskonzert aufführen wollte. Hierzu war auch Henze gefragt worden, der auch einen Entwurf ablieferte, der aber in dem Konzert nicht aufgeführt wurde.

Henze schloss diese Komposition erst zu Sachers 75. Geburtstag ab, der sich dafür am 11. Mai 1981 bedankte: „Dein Gruss & das Manuskript der vollendeten Capriccio haben mir das grösste Vergnügen bereitet.“

Abendmusik für einen alten Freund (UA 7. Mai 1996)

Zum 90. Geburtstag von Sacher wurde wiederum ein Konzert gegeben, zu dem Henze die Abendmusik für einen alten Freund schrieb und am 30. März 1996 erklärte: „Mein Stück, im Januar unter den Sternen des Aequators geschrieben, soll Dir den Ausdruck meiner Freude, Liebe und Dankbarkeit vermitteln.“

Für das Geschenk bedankte sich Sacher mit den bereits zitierten Worten: „Du bist ein guter Mensch, da Du mir eine so innige Musik schenkst.“ (Brief vom Mai 1996)

Über bzw. von Paul Sacher angefragte, aber nicht ausgeführte Aufträge

Ägyptische Gedichte für Ingeborg Hallstein: Werk mit Solo-Sopran (Mai/Juni 1966)

Im Zusammenhang mit der zweiten Aufführung der Cantata della fiaba estrema, in der Ingeborg Hallstein die Solopartie übernahm, übersandte Sacher einige ägyptische Gedichte, zu denen sich Hallstein eine Komposition mit Solosopran wünschte. Henze reagierte auf diesen Vorschlag zurückhaltend und hat ihn nicht ausgeführt.

Shakespeare-Sonette für Fischer-Dieskau (1966, 1968)

Eine über längere Zeit gepflegte Kompositionsidee von Henze ist der Plan einer abendfüllenden Vertonung von Shakespeare-Sonetten in der Übersetzung von Paul Celan für den Bariton Dietrich Fischer-Dieskau. Dieser Plan wurde von Henze am 27. Dezember 1966 zuerst angesprochen und auch 1968 als Komposition, die er in jedem Fall ausführen werde, noch einmal erwähnt. Sacher hatte an diesem Zyklus durchaus Interesse, formulierte aber eigene Wünsche: (Brief vom 27. März 1969)

„Daraus ersiehst Du, dass mich ein Liederzyklus für Fischer-Dieskau nicht interessiert, sofern nur wenige Instrumente vorgesehen sind. Dagegen bin ich von diesem Plan sehr entzückt, wenn als Begleitkörper ein Kammerorchester in Frage kommt.“

Die Idee wurde nicht umgesetzt, vielleicht, weil sich Henze in Folge seiner politischen Aktivitäten zur Komposition des Zyklus Voices entschied (vgl. den Brief vom 5. Mai 1969), die er Sacher auch mehrfach zur Aufführung anbot.

1975: Werk für Schlagzeug und Orchester

Am 5. Februar 1975 fragte Sacher ganz konkret:

„Hättest Du Lust, ein Konzert für Schlagzeug und kleines Orchester für mich zu schreiben, entweder für einen Solospieler oder eine kleine Gruppe von drei bis höchstens vier Musikern? Es muss nicht unbedingt laut sein. Dauer etwa 20’.“

Henze ging auf diesen Vorschlag ein, versuchte ihn mit der Komposition des Balletts Orpheus zusammen zu fassen, sagte dann aber am 7. November 1975 ab und empfahl Sacher stattdessen seinen Schüler Henning Brauel. Dieser Empfehlung scheint Sacher nicht gefolgt zu sein (vgl. den Brief vom 18. November 1975).

Über Paul Sacher vermittelte Aufträge

Six Absences (für Antoinette Vischer) 1961

Am 16. November 1960 fragte Sacher bei Henze an, ob er bereit sei, für die Cembalistin Antoinette Vischer ein Cembalostück zu schreiben. Henze nahm diesen Auftrag an und scheint die Komposition im April 1961 abgeschlossen zu haben (vgl. den Brief vom 19. April 1961)

Auftrag für Donaueschingen 1963

Am 23. Juli 1962 schrieb Sacher an Henze:

„Wie beurteilen Sie die Aussichten für eine Auftragskomposition in Donaueschingen 1963, und wann könnten Sie die Partitur theoretisch abliefern? Ferner bitte ich Sie, mir zu sagen, in welcher Grössenordnung das Honorar sein müsste, das Ihren Entschluss stimulieren könnte?”

In der Korrespondenz gibt es keine Reaktion von Henze auf diese Anfrage, aber nach dem Archiv der Veranstaltungen in Donaueschingen wurde nach 1957 keine Komposition von Henze mehr bei diesem Festival aufgeführt.

Paul-Sacher-Stiftung

Bei den Honorarverhandlungen zum Doppelkonzert schrieb Sacher am 26. April 1965 erstmals: „Bei solche Preisen sollte eigentlich das Manuskript eingeschlossen sein!“ und Henze antwortete spontan am 18. Mai 1965:

“Selbstverständlich gehört Ihnen das Manuskript. Auch im Falle der ‚Fiaba Estrema‘ hätte das Manuskript eigentlich Ihnen zugestanden, und ich werde mich jetzt bemühen, es Ihnen zukommen zu lassen."

Spätestens seit dieser Zeit war für Henze klar, dass Paul Sacher nicht nur das Entstehen neuer Kompositionen förderte und diese dann mustergültig aufführte, sondern auch deren Manuskripte sammelte.

In der Kenntnis, wie wichtig Paul Sacher auch dieses Engagement war, hat Henze diesem nicht nur alle Originalmanuskripte der folgenden Auftragswerke geschenkt, sondern z. B. vom 2. Violinkonzert auch alle Skizzen und das Particell. Paul Sacher bedankt sich am 6. Juli 1971: „Du verwöhnst mich! Die prachtvoll eingebundenen Skizzen zu Deinem zweiten Violinkonzert sind soeben eingetroffen und bereiten mir eine Riesenfreude; tausend Dank für diese liebe Aufmerksamkeit.“

Im Jahre 1973 gründete Sacher die Paul Sacher Stiftung (vgl. Erni, S. 47–50) und zu seinem 80. Geburtstag machte er die Stiftung öffentlich, nachdem er das Haus „Auf Burg“ am Münsterplatz in Basel für diese Zwecke gekauft und umgebaut hatte.

1983 hatte Sacher den Strawinsky-Nachlass erworben und damit wohl „beschlossen“, seine bedeutende private Sammlung durch gezielte Ankäufe zu erweitern. Mit Henze scheint Sacher darüber bei dem Konzert am 14. Januar 1984 in Zürich gesprochen zu haben, denn Henze schrieb am 16. Januar 1984: „Sollten wir uns vorher nicht mehr sehen oder sprechen, möchte ich Dir doch auch noch sagen, dass Deine Idee meine Manuskripte betreffend, mir sehr gut gefällt.”

Intensive, konkrete Verhandlungen setzten nach Henzes Konzert in Basel am 25. Oktober 1985 ein, die schließlich in die Vertragsunterzeichnung am 8. Dezember 1987 mündeten. Henze schrieb am 31. Dezember 1987:

„Seit ich weiss, dass meine Manuskripte und Korrespondenzen bei Dir in Basel sein werden, fühle ich mich ruhig und stolz. Es ist ein wichtiger Schritt gewesen, der mein ganzes Leben – und wohl auch mein Schreiben – beeinflusst. Ich kann Dir gar nicht genug danken.“

Und am 8. April 1989 beschrieb Henze die Situation nach dem Vertragsabschluss:

„Es hat sich ein Gefühl von Sicherheit eingestellt, von Ruhe, die sozusagen von Aussen nach Innen geht und die es bewirkt, dass man weniger hektisch lebt und schreibt, dass man sich Zeit nimmt zum Nachdenken und dass man nicht immerzu mit einer Existenz-Sorge herum laufen muss.

Sicher geht es den anderen Komponisten ähnlich."

Sacher antwortete darauf am 18. April 1989:

„Deinem Brief vom 8. April entnehme ich mit besonderem Vergnügen, dass Du über den Vertrag mit der Stiftung zufrieden bist. Er bringt offensichtlich, was der Stifter in Gedanken an Dich anstrebte. Die Befreiung von Sorgen ist etwas gutes wie auch die materielle Sicherheit.“

Bibliographie

  • Musikhandschriften aus der Sammlung Paul Sacher. Festschrift zu Paul Sachers siebzigstem Geburtstag. In Verbindung mit Ernst Lichtenhahn und Tilmann Seebass hrsg. von F. Hoffmann-La Roche & Co. A. G., Basel 1976.
  • Jürg Erni, Paul Sacher Musiker und Mäzen. Aufzeichnungen und Notizen zu Leben und Werk, Basel 1999.
  • Fünfzig Jahre Collegium Musicum Zürich. Leitung Paul Sacher. Die Konzerte des Kammerorchesters Collegium Musicum Zürich 1941/42–1991/92, Zürich 1994.
  • Veronika Gutmann im Auftrag des Schweizerischen Tonkünstlervereins (Hg.), Paul Sacher als Gastdirigent. Dokumentation und Beiträge zum 80. Geburtstag, Zürich 1986.
  • Alte und neue Musik. Das Basler Kammerorchester (Kammerchor und Kammerorchester) unter Leitung von Paul Sacher 1926–1951, Zürich 1952.
  • Alte und neue Musik II. Das Basler Kammerorchester (Kammerchor und Kammerorchester) unter Leitung von Paul Sacher 1926–1976, Zürich 1977.
  • Alte und neue Musik III. 60 Jahre Basler Kammerorchester. Kammerchor und Kammerorchester unter Leitung von Paul Sacher 1976–1987. Registerteil 1926–1987, Zürich 1988.

Die Edition dieser umfangreichen Korrespondenz lag in den Händen von Irmlind Capelle und Dennis Ried (Telegramme). Die Arbeit an dieser Korrespondenz wurde aber wesentlich unterstützt durch

  • Elena Minetti (Übertragung, materielle Beschreibung, Übersetzung aus dem Italienischen, Überprüfung der Registerdatensätze)
  • Joachim Veit (materielle Beschreibung)
  • Sophie Stremel (inhaltliche Auszeichnung, Anlage der Registerdatensätze)
  • Dr. Yolanda Acker (Korrektur der englischen Fassung der „Einführung in die Korrespondenz“)

Allen sei ganz herzlich für ihren Einsatz gedankt, ohne den diese Korrespondenz nicht rechtzeitig hätte zum Abschluss gebracht werden können.

Schließlich gilt unser Dank auch der Hans-Werner-Henze-Stiftung, namentlich Dr. Michael Kerstan und der Paul Sacher Stiftung-Basel für die Bereitstellung von Dokumenten und die Erlaubnis zur Publikation der Dokumente.

Irmlind Capelle
Detmold, im August 2024

Einzelnachweise

  1. 1Wenn Henze in seiner Autobiographie (S. 274) schreibt: „Ging gleich nach der Uraufführung des Doppio Concerto, die am 2. Dezember [1966] in Zürich stattfand, für vierzehn Tage zu Maja und Paul Sacher auf den Schönenberg bei Basel, wie ich es auch zuvor schon des öfteren getan hatte. Dort konnte ich mich nun tatsächlich ein wenig ausruhen.“, so enthält diese Angabe aus der Erinnerung mehrere Fehler: Sein Besuch dauerte nur ca. 5 Tage und er war nach der jetzt zugänglichen Korrespondenz erst einmal (9. Dezember 1955) auf dem Schönenberg gewesen, was aber sowohl Henze wie Sacher selbst 1966 nicht mehr präsent gewesen zu sein scheint.
  2. 2Dass Henzes Erinnerungen für die frühe Zeit in seiner Autobiographie nicht immer ganz zuverlässig waren, zeigt auch diese Stelle: Henze schreibt, Sacher hätte seine Streichersonate uraufgeführt und ihn daraufhin zum Dirigieren eingeladen. Die Briefe belegen, dass es anders herum war.

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