Brief von H. W. Henze an P. Sacher, 8. April 1989
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[Manuskript]
00047 Marino (Roma)
erst heute komme ich dazu, Dir zu danken für
die Übersendung der Photographie von Irmtraut
Schmidt, und für die schöne Predigt. Ich
denke oft an Dich in Deinem Kummer, und
ich wollte ich könnte irgendwas tun, um ihn
Dir zu lindern. Stattdessen stehen die Freunde
ratlos da ...
ich möchte die Gelegenheit dieses Briefes benutzen,
um Dir zu sagen, wie viel günstigen Einfluss
die von Dir ausgesetzte Rente für mich be-
deutet.* Es hat sich ein Gefühl von Sicher-
heit eingestellt, von Ruhe, die sozusagen von
Aussen nach Innen geht und die es bewirkt,
dass man weniger hektisch lebt und schreibt, dass
man sich Zeit nimmt zum Nachdenken und dass man
nicht immerzu mit einer Existenz-Sorge herum laufen muss.
00047 Marino (Roma)
Sicher geht es den anderen Komponisten ähnlich.*
Ich bin in der 10. Szene meiner Oper für
Berlin (Premiére am 4. Mai 90
*) und habe noch
4 weitere zu schreiben dieses Jahr. Es geht also
ganz nach Plan, und ich freue mich, nichts übereilen
zu müssen. Meine Kölner Schüler habe ich noch,
ich will sie begleiten bis zu ihrer Promotion, und
dann langsam gar nicht mehr unterrichten.* Das Festival
für junge Theaterkomponisten, genannt Münchener Biennale,
dass ich erfunden und begründet habe, macht mir
viel Freude; von Ende April bis Ende Mai nächsten
Jahres ist es das 2. Mal und hat ein imponierendes
Programm,
dessen Vorschau (und dazu Informationen über
die 1. Biennale) ich Dir gern zuschicken lassen möchte.
Vielleicht macht es Dir Freude, das eine oder das
andere Werk Dir anzuhören. Mir wäre es wichtig,
wenn Du zu meiner neuen Oper nach Berlin kämest,
es wäre mir wichtiger noch als ein Besuch von
Dir in München – aber es geht ja auch beides!
00047 Marino (Roma)
Du hast auch immer einmal versprochen, mich
hier in Marino zu besuchen, aber es ist
bisher noch nie etwas daraus geworden ....
ich hoffe dass es Dir einigermassen
gut geht. Es hat mich sehr gerührt, auf
dem Kärtchen das der Predigt beilag, das
Autograph vom kleinen Georg zu finden,
sodass ich Dich bitten möchte, ihn vielmals
von mir zu grüssen. Ob er auch Musikus
werden wird?
Hoffentlich sehen wir uns bald einmal, lieber
Paul – es würde mich sehr freuen.
Ich
wünsche Dir alles erdenklich Gute und schicke
Dir meine herzlichsten Grüsse –
Dein
hans werner
Apparat
Verantwortlichkeiten
- Herausgegeben von
- Irmlind Capelle
- Übertragung
- Elena Minetti; Irmlind Capelle; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Basel (Schweiz), Paul Sacher Stiftung (CH-Bps), Sammlung Paul Sacher
Signatur: Korrespondenz Hans Werner HenzeQuellenbeschreibung
- Dokumenttyp: Brief
- Briefpapier Henze, weißes Papier, Kettlinien längs 2,8cm (unten das Dreieck)
- 3 Blätter
- 3 beschriebene Seiten
- Abmessungen: 295x210 [mm] (HxB)
- unregelmäßige Drittelfaltung quer: von oben: bei 7,5 cm, 17cm und 25,5 cm; am Ende bei "herzlichsten" Tinte etwas verlaufen, "t" scheint überschrieben
- Rand links teils 3,5cm, meist 3cm (letzte Zeile Blatt 3 bis 2,5cm)
Material
Umfang
Zustand
Layout
Schreibstile
-
1.Handschrift, Henze, Hans Werner, Filzstift/Fineliner (blau).
Einzelstellenerläuterung
-
"… Rente für mich be deutet."Mit der Übergabe von Henzes Manuskripten und Korrespondenz an die Paul Sacher Stiftung war eine lebenslängliche Rente verbunden.
-
"… (Premiére am 4. Mai 90"Die Uraufführung fand am 5. Mai 1990 statt.
-
"… langsam gar nicht mehr unterrichten."Henze hatte von 1980 bis 1991 eine Kompositionsklasse an der Hochschule für Musik in Köln.