Henze | Barnet

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Basisdaten

  1. Zeitraum:
  2.  30. April 196914. September 1989
  3. Korrespondenzpartner*innen:
  4.   Barnet, Miguel
  5.   Henze, Hans Werner
  6. Herausgegeben von:
  7.   Minetti, Elena
  8. Anmerkung:
  9.  Die Dokumente in spanischer Sprache liegen in englischer Übersetzung vor.

Zur Korrespondenz zwischen Hans Werner Henze (1926–2012) und Miguel Barnet (*1940)

Grundangaben zur Korrespondenz

Aufbewahrungsort

Die postalischen Dokumente der Korrespondenz zwischen Hans Werner Henze (1926–2012) und dem kubanischen Schriftsteller, Dichter und Ethnologen Miguel Barnet (*1940) werden teilweise in der Paul Sacher Stiftung in Basel in der Sammlung Hans Werner Henze und teilweise im Privatarchiv von Barnet in Havanna aufbewahrt. Während die in Basel aufbewahrten postalischen Dokumente im Original eingesehen werden konnten, waren die in Havanna aufbewahrten nur in Form von Reproduktionen zugänglich, auf die sich auch die materielle Beschreibung der Briefe stützt.

Umfang

Der Briefwechsel zwischen Henze und Barnet umfasst 64 postalische Dokumente (darunter 30 Briefe, 14 Post- bzw. Ansichtskarten, 8 Briefkarten und 12 Telegramme), 15 davon stammen von Henze und 49 von Barnet. Teilweise enthalten die Briefe Beilagen, die in engem Zusammenhang mit dem jeweiligen Brief stehen, z. B. eine Liste von Henzes Aufenthaltsort im Herbst 1982 oder das Gedicht von Barnet Sexta Sinfonía.

Zeitraum

Der Briefwechsel begann unmittelbar nach Henzes Rückkehr von seinem ersten Aufenthalt in Kuba vom 21. März bis 16. April 1969, bei dem beide sich persönlich kennengelernt hatten. In seiner Autobiografie (vgl. Henze, Reiselieder mit böhmischen Quinten, S. 312) berichtet Henze, dass er schon vor seiner Ankunft in Kuba die Intention hatte, den kubanischen Autor des Dokumentarromans El Cimarrón. Biografia de un cimarrón Miguel Barnet kennenzulernen, den er „in Musik zu setzen versuchen wollte“ (Henze, Reiselieder mit böhmischen Quinten, S. 312). Mit seinen Reisen nach Havanna beabsichtigte Henze außerdem, die dortige künstlerische Kultur „mitten in einer spontanen, tatkräftigen Umsturzwelt“ näher kennenzulernen und insbesondere folgenden Fragen nachzugehen: „[w]ie wurde da mit den Künsten verfahren? Was erwartete man sich von den Autoren, welche Art von Mitwirkung? Wer oder was ist ein revolutionärer Künstler?“ (Henze, Reiselieder mit böhmischen Quinten, S. 312). Aus eigener Initiative suchte Henze im Telefonbuch die Nummer von Barnet heraus, rief ihn an und traf ihn im Hotel Riviera in Havanna (vgl. Henze, Reiselieder mit böhmischen Quinten, S. 313). Mit diesem Treffen begann eine intensive intellektuelle und künstlerische Freundschaft, die durch den 20-jährigen Briefwechsel dokumentiert wird. Obwohl mehrere Briefe und Postkarten undatiert sind, konnte rekonstruiert werden, dass die erste Briefkarte von Barnet aus dem späten Frühjahr 1969 und die letzte vom 8. September 1989 stammt. Die Korrespondenz zwischen beiden ist in der Folge regelmäßig, wenn auch nicht allzu häufig. Das Jahr, in dem Henze und Barnet die meisten Briefe austauschten, war 1970 mit insgesamt 12 postalischen Dokumenten, während aus den letzten Jahren der Korrespondenz von 1982 bis 1989 nur ein Brief pro Jahr erhalten ist.

Sprache

Die Korrespondenz ist auf Englisch und Spanisch verfasst. Die ersten drei postalischen Dokumente (zwei Briefkarten und ein Telegramm) sind in englischer Sprache geschrieben, von 1970 bis 1980 ist die Korrespondenz dann hauptsächlich auf Spanisch und von 1981 bis 1989 ausschließlich auf Englisch verfasst. Die Postkarten sind überwiegend in englischer Sprache verfasst. Da sie jedoch größtenteils undatiert sind (von 14 Postkarten ist nur eine Postkarte von Barnet explizit datiert und zwei weitere – eine Postkarte vom 31 Mai 1978 und eine Postkarte vom 21 June 1975 – können durch Stempel mit Sicherheit datiert werden), lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob sie aus der Phase stammen, in der die beiden sich hauptsächlich auf Spanisch (1970–1980) geschrieben haben oder aus der, in der sie ihre Briefe auf Englisch (1981–1989) austauschten.

Die Verwendung beider Sprachen führt dazu, dass Henze niemals und Barnet nur selten in seiner Muttersprache schreibt. Henze beherrscht die englische Sprache auf hohem Niveau, während seine Spanischkenntnisse deutlich geringer sind. Das lag daran, dass Henze erst kurz vor seinen Reisen nach Kuba begonnen hatte, Spanisch zu lernen. Dennoch sind seine Briefe auf Spanisch lesbar und nachvollziehbar. In einem Brief vom 21. Mai 1971 schreibt er, dass er gerne auf Englisch schreiben würde, da sein Spanisch nicht gut genug sei. Trotzdem schreibt er sowohl diesen als auch spätere Briefe an Barnet weiterhin auf Spanisch – bis zum Jahr 1980. Englisch, so erklärt Henze in demselben Brief vom 21. Mai 1971, sei die Sprache des Feindes, d. h. der amerikanischen Blockade im Gegensatz zur Sowjetunion, Kubas Verbündetem im Kalten Krieg und Henze bemühe sich daher, sie nicht zu benutzen. Hinweise darauf, warum Henze ab 1981 auf Englisch schrieb, sind in seinen Briefen nicht zu finden, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass er es vorzog, eine ihm vertrautere Sprache zu verwenden, da er keine Gelegenheit mehr hatte, Spanisch zu üben.

Henzes Spanisch ist stark von der italienischen Sprache beeinflusst, mit gelegentlich einigen grammatikalischen oder idiomatischen Einflüssen aus dem Deutschen. So verwendet er beispielweise in seinem Brief vom 21. Juli 1970 den Ausdruck „la Revolución va adelante en su camino justo!“, der im Spanischen nicht idiomatisch ist (im Spanischen üblicher: „va por (el) buen camino“). Höchstwahrscheinlich hat Henze diesen Ausdruck vom italienischen Ausdruck „sulla giusta strada“ abgeleitet und somit im Spanischen das Adjektiv „giusto“ bzw. „justo“ verwendet. Der italienische Einfluss macht sich auch in der Grammatik bemerkbar, z. B. schreibt Henze „quiero ver Rogelio y todos los ‚antiguos‘ amigos“ in seinem Brief am 19. Juni 1979 und verwendet das Objektkomplement mit dem Verb „ver“, das im Italienischen korrekt ist, im Spanischen aber den Partikel „a“ erfordert. Manchmal benutzt Henze neue Wörter, die zwar spanisch klingen, wie z. B. in seinem Brief vom 12. Oktober 1970 „batudo“ statt „aplaudido“, aber in der Spanischen Sprache nicht vorkommen. In demselben Brief könnte der Ausdruck „hasta el verano“ (im Spanischen korrekter wäre: „antes del verano“) von dem deutschen Ausdruck „bis zum Sommer“ abgeleitet sein.

Außerdem macht Henze im Spanischen manchmal grammatikalische Fehler (wie z. B. im Brief vom 11. Februar 1974 „cuentar“ statt „contarte“ oder „llego“ statt „llegue“). Desweiteren verzichtet er häufig auf Akzente (wie z. B. aus demselben Brief bei Worten wie „mas“ statt „más“, „como“ statt „cómo“ oder „mi“ statt „mí“).

Obwohl Barnet spanischer Muttersprachler ist, verzichtet er auch wie Henze meistens auf Akzente in Wörtern, die sie erfordern würden, z. B. in Wörtern wie „musica“ und „hacia“. Barnets Englisch ist oft von seiner spanischen Muttersprache beeinflusst. Er verwendet manchmal das erste Personalpronomen „ich“ (siehe z. B. diese Postkarte vom 31 Mai 1978), wie es im Spanischen üblich ist, nicht, was im Englischen genau genommen einen Fehler darstellt. Ferner übersetzt Barnet spanische Ausdrücke manchmal wörtlich ins Englische, beispielweise verwendet er den Ausdruck „jumping of joy“ als wortwörtliche Übersetzung von „saltando de alegría“ („jumping for joy“ wäre der korrekte Ausdruck im Englischen) in seiner Postkarte vom Sommer 1979.

In der Begrüßungsformel verwendet Barnet sowohl „Hans“ als auch „Henze“, während Henze seinen Freund nur mit dem Vornamen „Miguel“ oder der verniedlichenden Form „Miguelito“ anspricht. Nach der Anrede verwendet Barnet oft ein Semikolon, was im Englischen nicht korrekt ist.

Schreibeigenheiten der Korrespondenzpartner

Schreibeigenheiten von Henze

Abgesehen von den 5 Telegrammen liegen alle 10 Briefe Henzes, die in der Korrespondenz mit Barnet erhalten sind, handschriftlich vor. Wie in anderen Korrespondenzen aus demselben Zeitraum ist Henzes Handschrift druckschriftähnlich und – wenn auch sehr klein – sauber und gut lesbar. Henze scheint es vorgezogen zu haben, statt mit Kugelschreiber mit feinen Filzstiften in verschiedenen Farben (z. B. braun, blau, schwarz und violett) zu schreiben. Er verwendet in der Korrespondenz oft sein eigenes Briefpapier mit vorgedrucktem Briefkopf der Adresse seiner Villa La Leprara in Marino.

Schreibeigenheiten von Barnet

Von Barnets 20 Briefen sind 12 maschinengeschrieben und 8 handschriftlich. Letztere wurden offensichtlich zu Zeiten geschrieben, in denen Barnet keine Schreibmaschine zur Verfügung stand, z. B. am Flughafen (vgl. den Brief vom 14. Januar 1982, wo Barnet explizit schreibt: „(This is a note at the airport of Havana, excuse me for the handwriting)“ oder während seines Aufenthaltes in Europa (vgl. den Brief vom 15 Dezember 1984). Die 14 Postkarten sind handgeschrieben, ebenso die meisten der 8 Briefkarten mit Ausnahme dreier maschinengeschriebener Briefkarten. Barnets Handschrift ist nicht so sauber wie die von Henze, aber sie ist gut lesbar. Die Briefkarten sind manchmal sehr kreativ gestaltet: Sie enthalten beispielweise einige originale Temperamalereien (vgl. die Briefkarte vom Sommer 1970 und die Briefkarte vom 12 August 1970). Auf Postkarten lässt er oft die klassische Zweiteilung außer Acht und nutzt das Adressfeld auch für seine Nachricht. In der gesamten Korrespondenz fügt Barnet seiner Unterschrift eine grafische Signatur hinzu, die aus einem Kreis besteht, der von zwei senkrechten Pfeilen gekreuzt wird, sowie aus kleinen Strichen und Punkten in den vier Kreissegmenten (vgl. Abbildung 1).

Barnet’s graphische Signatur

Abbildung 1: Grafische Unterschrift von Barnet aus der handschriftlichen Widmung an Henze in einem Exemplar von Alle träumten von Cuba, Signatur: Henze 2 B 442, Henzes Privatbibliothek, Hochschule für Musik in Detmold.

Eigenheiten beim Briefversand

Eine Besonderheit dieser Korrespondenz ist die Art und Weise, wie sie „abgewickelt“ wurde. Der Briefverkehr zwischen Kuba und Europa fand größtenteils nicht über einen offiziellen Postdienst statt. Meistens schickten Barnet und Henze ihre Briefe über Freunde und Freundinnen, die zwischen Kuba und europäischen Städten pendelten, wie Ugné Karvelis, die beim Verlag Gallimard in Paris arbeitete (siehe Barnets Brief vom Sommer 1970) oder Vando Martinelli (siehe Barnets Brief vom Sommer 1982), um sicherzustellen, dass die Briefe den Adressaten erreichen. Dies erschwert die Datierung einiger Dokumente und kann in die Irre führen, denn ein Brief aus San Gimignano, dessen Poststempel den 3. Mai 1982 ausweist, wurde höchstwahrscheinlich mindestens eine Woche früher in Kuba von Barnet geschrieben (vgl. Barnets Brief im April 1982) und von San Gimignano aus von einer von Barnet beauftragten Person verschickt.

Eigenheiten beim Briefversand

Eine Besonderheit dieser Korrespondenz ist die Art und Weise, wie sie „abgewickelt“ wurde. Der Briefverkehr zwischen Kuba und Europa fand größtenteils nicht über einen offiziellen Postdienst statt. Meistens schickten Barnet und Henze ihre Briefe über Freunde und Freundinnen, die zwischen Kuba und europäischen Städten pendelten, wie Ugné Karvelis, die beim Verlag Gallimard in Paris arbeitete (siehe Barnets Brief vom Sommer 1970) oder Vando Martinelli (siehe Barnets Brief vom Sommer 1982), um sicherzustellen, dass die Briefe den Adressaten erreichen. Dies erschwert die Datierung einiger Dokumente und kann in die Irre führen, denn ein Brief aus San Gimignano, dessen Poststempel den 3. Mai 1982 ausweist, wurde höchstwahrscheinlich mindestens eine Woche früher in Kuba von Barnet geschrieben (vgl. Barnets Brief im April 1982) und von San Gimignano aus von einer von Barnet beauftragten Person verschickt.

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