Letter from H. M. Enzensberger to H. W. Henze, August 27, 1972

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den 27 August oder in seiner Nähe [1972] *
Lieber Hans,

dieser Brief kommt ein wenig zu spät und er wird kürzer
als ich möchte sein. Das macht daß ich dem Fieber des Erfindens ver-
fallen bin. Ich arbeite sozusagen Tag und Nacht an meinem Poesie-
Automaten
der mich amüsiert und anstrengt. Obgleich natürlich das
"Programm" der weitaus schwierigere Teil ist, macht es mir großen
Spaß mich auch um die technische Realisierung zu kümmern und kleine
Maschinen zu bauen. Wenn du nach Berlin kommst wird dir das Ganze
vorgeführt.

Außerdem ist Gaston zurück. ich war etwas enttäuscht daß er dich nicht
besuchen und sich etlichesx Racheliana anhören konnte. Er mußte aber
sehr plötzlich nach Darmstadt und Frankfurt zurück und flog daher
direkt via Alghero-Mailand, ohne Rom zu berühren.*

So angenehme Dinge und die Neugier reizende schreibst du über das Alhambra.*
Wie gut es doch ist in Bielefeld korrepetiert zu haben. Komisch denke
ich mir die papierne "Verruchtheit" von Frisches Fleisch *, dieser
erbarmungswürdige Versuch, das Anrüchige künstlerisch darzustellen
und daran völlig zu scheitern und zwar in einer Gesellschaft der
die Korruption leichter fiel als das atmen... Dieses Ernstgemeinte
von dem du sprichst verdoppelt das Vergnügen an der Sache.

Die Rede des Theaterdirektors streichen wir, und den Titel malen wir
auf den Vorhang.*

Partagás, Partagás, Partagás! Mußt du immer rechtxxxxx richtig raten? Das
mußt du wohl! Und die Amerikaner: siehe Herrentoilette.* Natürlich wäre es
nicht schlecht wenn ihnen the sweet smell of success in die Nasenlöcher
stiege, das ist das einzige was sie wirklich überzeugt. Gaston hat seinem
Darmstädter Regisseur Heinz, der ein Geheimtip in Deutschhland ist und sehr
gut sein soll, den Text gegeben*; dieser hat ihn weitergegeben an das
Hamburger Thalia-Theater. Es ist dies eine Publikumsbühne, sozusagen
Tehater des Westens mit formalen Ansprüchen und inhaltlichem Ehrgeiz. Es
hat nicht das "ernste" image des Schauspielhauses, ist aber vom Können
her durchaus auf dessen Höhe und vom Publikum her unvergleichlich besser
gestellt, man geht dort nicht aus Kulturpflicht hin sondern in der Hoffnung
Lust zu gewinnen... Die sollen nun äußerst interessiert sein. ich wäre dafür
ihnen die deutsche Uraufführung zu geben wenn sie wollen. Vielleicht ist
das auch einen diskreten Wink an Schott wert, oder hast du andere Kanäle?
Verzeih daß dies so kurz gefaßt, aber wenn du hörst daß mein Automat 1oxx ca
2,5 Quintillionen verschiedene Gedichte produzieren kann dann verstehst du
dies. Bald ist er fertig und dann bin ich wieder da. Deiner Botschaften
sowohl eingedenk als gewärtig und natürlich stets völlig geneigt

wohl uns! m

Editorial

Responsibilities

Editor(s)
Irmlind Capelle
Transcription
Irmlind Capelle

Tradition

  • Text Source: Basel (Schweiz), Paul Sacher Stiftung (CH-Bps), Sammlung Hans Werner Henze, Abteilung: Korrespondenz

    Physical Description

    • Document type: Letter
    • Material

    • dickeres helles Briefpapier
    • Faltung: 2mal auf DinA6
    • Extent

    • 1 folio
    • 1 written page
    • Dimensions: 297x210 [mm] (HxW)
    • Layout

    • anderthalbzeilig, kein Einzug, keine Leerzeile
    • die letzten beiden Zeilen sind leicht verschoben und leicht schief, da sehr weit unten auf dem Blatt

Writing styles

Text Constitution

  • "c""v" replaced with "c"
  • "s"deleted by overtyping
  • "s""t" replaced with "s"
  • "recht"deleted by overtyping
  • "G""g" replaced with "G"
  • "m""n" replaced with "m"
  • "h""l" replaced with "h"
  • "d""f" replaced with "d"
  • "l""o" replaced with "l"
  • "leic""elci" replaced with "leic"
  • "o""l" replaced with "o"
  • "ü""r" replaced with "ü"
  • "ß""s" replaced with "ß"
  • "1o"deleted by overtyping
  • "i""9" replaced with "i"
  • "s""t" replaced with "s"
  • Following: handwritten, ballpoint pen (black), Enzensberger, Hans Magnus

Commentary

  • "… oder in seiner Nähe 1972"Dieser Brief bezieht sich direkt auf Henzes Brief vom 11. August 1972, so dass er 1972 geschrieben sein muss.
  • "… , ohne Rom zu berühren."Wahrscheinlich musste Gastón Salvatore dringend wegen der Uraufführung seine "Büchners Tod" im Oktober 1972 nach Darmstadt.
  • "… du über das Alhambra ."Enzensberger bezieht sich hier und im Folgenden auf Henzes Brief vom 11. August 1972.
  • "… papierne Verruchtheit von Frisches Fleisch"Titel des Stücks, das im 4. Tableau als Theater auf dem Theater gespielt wird.
  • "… malen wir auf den Vorhang."Obwohl Enzensberger hier Henzes Vorschlag zustimmt, ist im Klavierauszug die Rede des Theaterdirektors enthalten, vgl. S. 192.
  • "… Und die Amerikaner: siehe Herrentoilette."Im 1. Tableau ist eine Herrentoilette auf der Bühne zu sehen, auf der sich zwei Amerikaner folgendermaßen unterhalten: "How much?", "How much what?", "The girl in gold.", "Two hundred Pesos.", "Wow! That’s too much!"
  • "… sein soll, den Text gegeben"Gerd Heinz war seit 1970 am Staatstheater Darmstadt Schauspieldirektor und führte Regie bei der Uraufführung von "Büchners Tod".
  • "Tehater"recte "Theater".

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        Credits

        Mit freundlicher Genehmigung der Erbengemeinschaft Hans Magnus Enzensberger.

        Legal notice

        Alle Rechte an den Briefen Enzensbergers verbleiben bei der Erbengemeinschaft Enzensberger.

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