Brief von H. W. Henze an H. M. Enzensberger, 23. Oktober 1973

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[Manuskript]

La Laprara
00047 Marino (Roma)
23 oct 73 Lieber Mang

heute wird I. B.s Leichnam nach Klagenfurt überführt,
nicht einmal auf dem englischen friedhof in Rom
konnte sie bleiben wie sie gedacht hatte. sie
hat fürchterliche geschwister etc. es war alles
fürchterlich und wird auch so bleiben.* ich hoffe, wir
werden mal diskreter uns davonbegeben. vorgestern bin
ich nach Venedig gefahren, bin bei Yoichi und
beruhige mich (und hoffe dass ruhe sein wird)
und hoffe dass ich bald wieder arbeiten kann.

heute morgen dachte ich: Mang und ich müssen sich
weiterhin briefe schicken, auch wenn es nichts über
„La Cubana“ zu sagen gibt oder sonstiges die arbeit
betreffendes. an exchange of moods, das wäre mir
sehr angenehm, und so soll es bitte sein. es gibt ja
wirklich nicht so rasend viele Leute mit denen man in
verbindung sein möchte. ausserdem haben Deine briefe
bisher immer mich moralisch gestärkt und sei es auch nur
für ein paar stunden oder gar tage. und dass
mein privates Leben so gut ist nun und ich gerne
gut arbeite und all das, das beude bedeutet


La Leprara
00047 Marino (Roma)
2
noch lange nicht dass ich deswegen Mang nicht mehr
benötige. voilà. tu also Deine pflicht und
schreibe mir.

„La Cubana“ , so scheint es nun, kommt in Zürich
zuerst (im Stadttheater) ende 74, es ist
also an der Zeit, dass die schweizer dazu Miguelito
einladen (ich will es als vertragliche bedingung
machen, dass sie ihm die reise bezahlen müssen)
und vielleicht bleibt er dann bei uns. er
fehlt mir sehr, wir schreiben uns zwar, aber
was kann man schon in solchen briefen sagen? auch
von meinem Rogelio höre ich selten, aber er ist
jetzt in der partei (sic!) und das ist ja
auch was wert. er ist sehr stolz darauf natürlich
und schreibt sätze wie diese: fijate Hanz Los
revolucioNarios haNTe les diFiculTades se creseN
y Lucha cada bes mas para pader veNcer esa diFiculta
yo hubiera querido esTar con Tigo para alludarTe para pre
Tu beas de lo que es capas uN revolucionario cuando le
quieren TroNchar sus ideas en bien de la humanidad y en
bien del Obrero y del Pueblo Las esperanzas No se
pierden jamas .....ecc.
([1-2 Buchstaben] * es handelt sich um das
einreiseverbot) (auch um das lager?)


La Leprara
00047 Marino (Roma)

3
und sonstiges gibt es nicht zu berichten. ich habe
immer dieses stück „Tristan“ noch nicht beendet
und habe auch keine lust dazu mehr, aber es
muss ja sein, und dann muss ich, with
enormous delay
, die Bond oper beginnen. well, well.

grüsse bitte Deine gesellschafterin
& sey[sic] umarmt
von Deinem
hans*

P.S.
Wenn Du das Blumenfest
gehört hast wirst, nein musst Du
mich lieben!*

Apparat

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Irmlind Capelle; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Deutsches Literaturarchiv Marbach (D-MB), A: Enzensberger, Hans Magnus
    Signatur: Briefe Hans Werner Henze

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • Briefpapier Henze: mittelblaues Papier
    • WZ in einer Art Rundstempel: "PINEIDER . [Mittelpunkt oder -] FIRENZE . [Mittelpunkt] ROMA"; Steglinien: ca. 2,6cm
    • Faltung: ungleiche Drittelfaltung für Querumschlag, unten ca. 1,5 cm zusätzlich umgeknickt
    • Umfang

    • 3 Blätter
    • 3 beschriebene Seiten
    • Abmessungen: 300x215 [mm] (HxB)
    • Layout

    • auffallend große Abstände zwischen den Wörtern! in dem span. Zitat ist das "N" (neben einigen anderen Buchstaben wie T, F, L) immer in der Form des Großbuchstabens geschrieben, aber gerade beim N oft angepasst an die Rest-Textgröße
    • Anführungszeichen hier, wenn nicht anders angegeben beide oben
    • mit ca. 4-5 cm linkem Rand beschrieben; Absätze links nicht eingerückt

Schreibstile

Textkonstitution

  • "beude"durchgestrichen
  • "dazu"unsichere Lesung
  • "pre"unsichere Lesung
  • "que"unsichere Lesung
  • "[1-2 Buchstaben]"durchgestrichen
  • "lager"unsichere Lesung
  • "sey"sic

Einzelstellenerläuterung

  • "… und wird auch so bleiben."Zum Tod von Ingeborg Bachmann vgl. Henzes Beschreibung in der Autobiographie S. 399–401 und den Brief von Enzensberger vom 3. November 1973.
  • "… jamas .....ecc. ( [1-2 Buchstaben]"Dieser Text von Henzes Freund Rogelio aus Kuba, den Henze in seiner sprachlichen und schriftlichen Unbeholfenheit wiedergibt, bleibt hier unübersetzt.
  • "… hans"Der Name ist hier ausnahmsweise als Paraphe mit großem Anfang geschrieben.
  • "… nein musst Du mich lieben!"Die Vertonung des Gedichtes Das Blumenfest von Enzensberger bildet den Abschluss des Zyklus’ „Voices“.

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        Mit freundlicher Genehmigung der Hans Werner Henze-Stiftung (Dr. Michael Kerstan).

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