Brief [Durchschlag] von P. Sacher an H. W. Henze, 18. November 1975

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[Typoskript]

18. November 1975 Lieber Hans Werner,

Empfange vielen Dank für Deinen ausführlichen
Brief vom 7. November, über den ich mich sehr gefreut habe.

Natürlich sind mir die Veränderungen, die sich
bei Dir ergeben haben, bei unserer letzten Begegnung in
Zürich nicht entgangen; ich habe mich darüber sehr gefreut.

Ueber die Festtage können Maja und ich leider
nicht zu Dir kommen, da wir durch die Familie hier zurück-
gehalten werden. Aber vielleicht bin ich in der Woche vom
5.-10. Januar für einige Tage in Rom. Es würde mir grosses
Vergnügen bereiten, Dich dann zu sehen.*

Auf Deine Australienreise darfst Du Dich freuen.*
Die Menschen dort sind sehr englisch, und ich finde das
Land aussergewöhnlich schön, zum Teil grossartig.*

"Jephte" von Carissimi ist eines meiner Lieblings-
stücke. Ich habe es verschiedentlich aufgeführt. Die Ori-
ginalbesetzung ist natürlich für Chor a cappella mit Gene-
ralbass, aber es existieren verschiedene Bearbeitungen für
Orchester, unter anderem eine von Vittorio Gui, die sehr
sinnenfreudig ist.

Natürlich würde ich besonders gerne die Premiere
von "We come to the River" in Covent Garden hören. Der 12.
Juli
ist aber mitten in meinen Ferien, und Dein Geburtstag
ist dann ja schon vorüber. Wo gedenkst Du, ihn zu feiern?*

Leider kann ich Dir heute noch nicht sagen, ob
ich Henning Brauel eine Komposition für Schlagzeug in Auftrag
geben werde. Die Frage wird erst im Lauf des nächsten Jahres
spruchreif.

Das interessanteste Forum für London Sinfonietta
wären die Festspiele in Luzern, und ich würde vorschlagen,
dass sich das Management dieses Orchesters deswegen mit der
Konzertgesellschaft in Zürich in Verbindung setzen sollte.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass Herr Hirschi diesem Or-
chester in Luzern ein Engagement verschaffen kann, vielleicht
gerade mit Deinem Liederzyklus "Voices"; das fände ich
hochinteressant. Hirschi weiss natürlich auch, bei welcher
Musikalischen Gesellschaft in der Schweiz ein Abschluss mög-
lich ist. Der Vorschlag könnte auch direkt Herrn Rudolf
Baumgartner
, dem künstlerischen Direktor der Internationalen
Musikfestwochen Luzern
unterbreitet werden.


- 2 -

Bevor ich Dir den Brief für die Fremdenpolizei
in Zug schreibe, muss ich genau wissen, was Du vorhast.
Willst Du dort endgültig Domizil nehmen, oder was genau
ist geplant? Handelt es sich um eine Aufenthaltsbewilli-
gung, um die nachgesucht wird? Ich möchte nicht, dass mein
Empfehlungsschreiben falsche Angaben enthält.

Alles Liebe, herzliche Grüsse
in alter Freundschaft
Dein

Maestro Hans Werner Henze
La Leprara, Via del Fontanile, I-00047 Marino (Roma)

Apparat

Generalvermerk

Dieser Brief scheint nicht auf Sachers normalem Briefpapier geschrieben worden zu sein, denn das Datum rechts sitzt ungewöhnlich hoch. Außerdem ist der Durchschlag ungewöhnlicherweise auf der Vorder- und Rückseite beschrieben.

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Elena Minetti; Irmlind Capelle; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Basel (Schweiz), Paul Sacher Stiftung (CH-Bps), Sammlung Paul Sacher
    Signatur: Korrespondenz Hans Werner Henze

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • gelbliches Durchschlagpapier
    • Umfang

    • 1 Blatt
    • 2 beschriebene Seiten
    • Abmessungen: 297x210 [mm] (HxB)
    • Zustand

    • gelocht
    • Layout

    • einzeilig, Einzug: 2,8 cm; linker Rand: 4,3 cm; halbe Leerzeile nach Absatz; doppelte Leerzeichen nach Punkt und Ausrufezeichen

Schreibstile

  • 1.
    Maschinenschrift.

Textkonstitution

  • "n""g" überschrieben mit "n"
  • "eh""he" überschrieben mit "eh"
  • "e""i" überschrieben mit "e"
  • "a""e" ersetzt durch "a"
  • "e""m" überschrieben mit "e"
  • "p""f" überschrieben mit "p"

Einzelstellenerläuterung

  • "… bereiten, Dich dann zu sehen."Durch den Tod von Henzes Mutter am 1. Januar 1976 dürfte dieses Treffen nicht stattgefunden haben; vgl. die Anzeige und das Telegramm von Sacher.
  • "… reise darfst Du Dich freuen."Sacher hatte im März 1974 eine Konzertreise mit dem Collegium Musicum Zürich durch Australien, worauf dieses Urteil basieren dürfte.
  • "… aussergewöhnlich schön, zum Teil grossartig."Die Reise in Australien war für Henze überschattet von dem Tod seiner Mutter und dem Tod von Luchino Visconti am 17. März 1976; vgl. die Autobiographie, S. 426ff.
  • "… gedenkst Du, ihn zu feiern?"Diese Frage ist überraschend, denn Henze hatte bereits zweimal geschrieben, dass er seinen Geburtstag Ende Juli 1976 in Marino feiern werde und Sacher auch dazu eingeladen.

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        Mit freundlicher Genehmigung der Paul Sacher Stiftung.

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