Brief von H. W. Henze an H. M. Enzensberger, 2. Juni 1978

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[Manuskript]

La Leprara
00047 Marino (Roma)
2 Junius
78

Lieber Mang

Dein brief hat mich so gefreut
ich wusste dass Du nicht wusstest dass ich ein
unglück gehabt habe, es war am 12. April,
nachts in einem Wiener Hotel, ein gewisses
gänzliches alleinsein, ich verbrachte 4 stunden bevor
ich um einen arzt rief, so wenig wollte ich
das alles wahrhaben, es war ein coronar-infarkt.
nun ändert sich das Leben gänzlich, und ich bin
nur traurig darüber dass es so gewalttätig sich ändern
muss – ich war wirklich auf dem wege ganz nach
haus, und mit dem vorsatz nicht mehr so viel
zu arbeiten. nun habe ich monatelang nur gelegen
und depressionen sondergleichen durchgestanden, denn das
privatleben hat einige beschwernisse, Dir vielleicht
nicht unbekannt dass man 2, sogar 3 mag, aber es
ist nicht praktisch.

Ostern war ich in Venedig und habe Deine nummer täglich
3 x angewählt, aber umsonst.* doch, ich möchte zu Yoichis
ausstellung kommen, mitte juni *, weiss nur noch nicht,


La Leprara
00047 Marino (Roma)
mit welchem transportmittel, man muss sehr vorsichtig
sein. habe einen (englischen) assistenten der mir hilft
beim schreiben eines Orfeo (für das stuttgarter ballet[sic] )
und ich kann somit mich mit 1–2 stunden arbeit be-
gnügen und den rest des tages mit langsamen spazier-
gängen, lektüre und sehr viel schlaf verbringen. habe erst
ganz vorsichtig vor 14 tagen zu skizzieren begonnen, aber
heute, wenige minuten vor ersten versuchen an der
ersten Aria di Orfeo, will ich Dir diesen gruss schicken
und Dir sagen dass ich mich sehr freuen werde Dich zu
sehen, hoffentlich gerade in Venedig das ich doch schon
deswegen so sehr mag weil einer der bezaubernsten[sic] leute
dort wohnt die es überhaupt gibt und nicht aufhört
rätselhaft und wunderlich und säuberlich und adorable zu
sein. bitte schön, so sehen wir uns dort. schreibe
Dir an dem regnerischen frühlingsmorgen der genauso grau
ist und ungehörig wie der gestrige und der von morgen.

ich hoffe dies erreicht Dich in Berlin
(wo ich einmal im herbst länger sein möchte) adé mein lieber Mang
hans

Übersetzung von

Apparat

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Irmlind Capelle; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Deutsches Literaturarchiv Marbach (D-MB), A: Enzensberger, Hans Magnus
    Signatur: Briefe Hans Werner Henze

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • BP_Henze-07: leicht cremefarbenes, dünnes, durchsichtiges Papier (daher nur einseitig beschreibbar), leicht gewellt strukturiertes Papier
    • Faltung: 2mal und 3,5 cm vom Rand eingeklappt (1x in der Mitte quer, dann doch Drittelfaltung: 8,5-11,5-9 und von links nochmal eingeklappt
    • Umfang

    • 2 Blätter
    • 2 beschriebene Seiten
    • Abmessungen: 290x210 [mm] (HxB)
    • Layout

    • Rand: ca. 2,5cm; Absätze nicht eingerückt; Seite 2 nicht extra nummeriert

Schreibstile

Textkonstitution

  • "ballet"sic
  • "bezaubernsten"sic

Einzelstellenerläuterung

  • "… 3 x angewählt, aber umsonst."Vgl. hierzu den vorangehenden Brief von Enzensberger, in dem er fragt, ob Henze denn nie nach Venedig käme, andererseits aber berichtet, dass er es vor Ostern von Rom aus bei Henze telefonisch probiert habe.
  • "… Yoichis ausstellung kommen, mitte juni"Im Brief an Grete Weil vom 16. August 1978 schreibt Henze, dass diese erste Ausstellung von Yoichi Ohira erst am 28. August 1978 in Venedig stattfindet.

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        Dank

        Mit freundlicher Genehmigung der Hans Werner Henze-Stiftung (Dr. Michael Kerstan).

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