Brief von H. W. Henze an G. Weil, 18. Dezember 1952

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[Manuskript]

18. 12. 52
l. b.

da Du auf jegliche handfeste untermauerung
Deiner bitteren worte über meine verblödung
(ich nehme an, aus stilistischen gründen)
verzichtest, will ich die betreffenden zeilen
als von Dir ungeschrieben, von mir aber
ungelesen, betrachten.

was nun die funkfassung betrifft*, so kann
man von ihr nur sagen, daß das projekt,
statt zu erlöschen, kolossal angereichert ist.
und zwar wird sie auch von fünf deutschen
sendern zu verschiedenen zeitpunkten aus-
gestrahlt werden, ganz abgesehen von radio
rom. daß ich aber wegen einer solchen
lappalie nicht nach hannover kommen kann,
dürfte eigentlich auf der hand liegen. Du
müsstest Dich schon mal hierher bequemen,
und zwar möglichst rasch.

johanna war hochinteressant*, das publikum
war begeistert, und ich war auch sehr
zufrieden. ich habe es ganz auf schlemmer


gemacht, mit 12 laien, die süss waren,
sie waren hauptträger einiger grosser szenen,
und noch ballett in schwarzen, später
weissen trikots. es war sehr irre, alle
waren dagegen ausser den mitwirkenden, aber
jetzt schreibt der chef: ich hätte dem theater
einen grossen auftrieb gegeben.*

aber noch einmal möchte ich nicht in bielefeld
4 wochen am theater zu tun haben!

und für butzi als oberspielleiter – ich hab,
wie Du Dir denken kannst, alles versucht
für ihn, aber es ist nun halt mal keine
vakanz. isst er eigentlich gern pudding?*

     dass Deine freundin marion uns gekündigt
hat, weisst Du wohl schon. sie hat sich
(in pipo’s und meiner abwesenheit) unmöglich
benommen. wir haben aber in der süddeutschen
annonciert und zwar mit viel erfolg. werden
was sehr liebes in einem besseren viertel nun
beziehen.* „marion“ ist ein arschloch.

also auf wiedersehen
Dein
hänschen

Apparat

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Irmlind Capelle

Überlieferung

  • Textzeuge: Stadtbibliothek München (D-Mst), Monacensia
    Signatur: GW 31

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • Doppelblatt: sehr dünnes helles Papier
    • Faltung: 1x quer
    • Umfang

    • 2 Blätter
    • 2 beschriebene Seiten
    • Abmessungen: 270x154 [mm] (HxB)
    • Zustand

    • oben und unten links ganz wenig abgerissen (1mm)
    • Layout

    • beschrieben: 1r und 2r
    • kein Einzug
    • Rand: 2cm

Schreibstile

Textkonstitution

  • "n""t" überschrieben mit "n"

Einzelstellenerläuterung

  • "… was nun die funkfassung betrifft"Hier spricht Henze die Funkfassung von Boulevard Solitude an.
  • "… johanna war hochinteressant"Vgl. hierzu den Brief vom 7. November 1952.
  • "… theater einen grossen auftrieb gegeben."Henze inszenierte in Bielefeld „Jeanne d’Arc auf dem Scheiterhaufen“ von Arthur Honegger. Es war seine erste Inszenierung. Vgl. Geitel, Hans Werner Henze, S. 44.
  • "… isst er eigentlich gern pudding?"Diese Anmerkung dürfte sich auf die Firma Dr. Oetker in Bielefeld beziehen, die spezialisiert auf Puddingpulver war.
  • "… einem besseren viertel nun beziehen."Nach dem folgenden Brief lag die neue Wohnung in der Jakob Klar Str. 1.

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        Mit freundlicher Genehmigung der Hans Werner Henze-Stiftung (Dr. Michael Kerstan).

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