Brief von H. W. Henze an W. Jockisch/G. Weil, 10. Februar 1951

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merci beaucoup für Deine zeylen von 4. dm., du
lieber butzi. mit den gastspielen das ist schon ein-
bezogen in die planung und wird auch gemacht. ich
wartete an jenem montag sehr auf Einen anruf, denn
es war noch nicht zu spät. nun ist es aber im
rollen, wenn auch mit einer leichten komplikation betreffs
maria Fris, deren eltern nicht wollen. irgendsowas war ja
zu erwarten. ruf doch mal peter an und erkundige Dich,
es ist für ihn allein ziemlich schwer wahrscheinlich, und
ich wollte Dich bitten, ihm evtl. zu helfen, namentlich im
falle Fris, vielleicht kannst Du mal zu den eltern gehen,
Du hast so eine glückliche art in solchen dingen. schliess-
lich ziehen wir alle am gleichen strang, und eines tages
werden wir auch all am gleichen theater sein.

herzliche gratulation zu hannover und zu hebbel, wenn
es noch funktioniert, was ja doch sehr wesentlich wäre.*
es gibt so wenig wertvolles theater, ich sah es gerade
wieder bei kenter’s „tollem tag“ . statt eines revolutions-
stück (in der interpretation ähnlich wie „hofmeister“ machbar*)
machte er die oper von mozart, galant und capriziös
mit der antiquierten „bewegungs-regie“ (aber sehr albern)
worin der dummling nötzold ihn weidlich unterstützte, es
war genau die oper, kostümlich und in der dekoration
(alkoven, der sessel genau das[sic] wo immer im 1. akt etc etc)
meine musik führte zu einem theaterskandal. aber die
presse gab mir recht. wie gern hätte ich das stück
mit dir gemacht!*

einen titel habe ich noch immer nicht für manon, aber
ich will jetzt weiterschreiben, sobald ich eine neue wohnung
habe. war noch nicht bei schott gehe montag hin,
um zahlreiche fragen zu klären. dr. sieger sagte,


ich solle versuchen, bei den prozenten für die aufführungen
die herstellungskosten solange nicht in die gewinne ein-
beziehen zu lassen, bis ich eine vertraglich festzulegende
summe erzielt hätte, und riet mir, dem vertragsent-
wurf vor der unterzeichnung ihm zu zeigen.

nach neuestem stand der dinge fahre ich am 28. II
nach paris, freue mich sehr und hoffe, daß nichts
dazwischen kommt. habe meinen vorschuß aus hamburg be-
kommen und alle schulden bezahlt, anbei auch die DM 20
die butza mir heimlich zugesteckt hat. dem hundchen
geht es gut, hatte zuerst großes heimweh (ich mußte nachts
6 – 7 mal aufstehen und es trösten) konnte noch
keinen schönen mädchennamen der mit H anfängt für es
finden* und nenne es nun „schnuffli“ und „häschen“
und „mein süsses“ – großes problem.

fasching war prima, war 3x mal auf dem fest der
kunstschule in mainz und 1x auf dem der hiesigen,
war wirklich ganz gelöst und glücklich, das sexual
behavior
, das es nach sich zog, war sehr erfreulich
und kann sich zu einer neuen grande affair entwickeln,
zumal sehr anders als das „chilenische“ von dunnemals
und mit viel intelligenz. wohnort würzburg, viel reiserei
nächste woche will ich dort an manon arbeiten. habe
einen schicken einfall für den beginn des morphium-tanzes,
der so eklatant hinhaut wie die barcarole in „hoffmann“
(gleichzeitig auftritt manon) [Notenbeispiel: [Notenbeispiel: Beginn (5 Takte) der Pantomime Nr. 15 im 5. Bild.]]

das wird nun immer mehr entwickelt, verstehste, und
dazwischen die ausbrüche von armand und das gejazzte
geplapper von lescaut & consorten.

love to both of you
yours monkey

ein neues wärmstens zu empfehlendes buch:
roger pereyfitte „ amitiées particulieres “
„deutsch, schon erschienen“
„merkwürdige freundschaften“

Apparat

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Irmlind Capelle

Überlieferung

  • Textzeuge: Stadtbibliothek München (D-Mst), Monacensia
    Signatur: GW 31

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • helles Papier
    • Faltung: 2mal auf DinA6
    • Umfang

    • 1 Blatt
    • 2 beschriebene Seiten
    • Abmessungen: 296x211 [mm] (HxB)
    • Layout

    • Ort Datum links senkrecht untereinander, Anrede rechts untereinander
    • Rand: 5-5,5 cm; Absätze ohne einrückung; Anführungszeichen oben unten

Schreibstile

Textkonstitution

  • "… Weg 8 10 II 51"Ort und Datum sind 1cm auf den Rand nach links herausgerückt.
  • "… "Notiert 5 cm nach links vom rechten Seitenrand.
  • "das"sic
  • "ich"über der Zeile hinzugefügt
  • "… "Dieser Nachtrag beginnt auf der Seitenmitte.

Einzelstellenerläuterung

  • merci beaucoup
    • vielen Dank
  • "… ja doch sehr wesentlich wäre."Auf Grund der Kündigung in Stuttgart arbeitete Walter Jockisch in dieser Zeit als freischaffender Regisseur und scheint hier erste Engagements in Hannover und am Hebbel-Theater in Berlin erwähnt zu haben.
  • "… interpretation ähnlich wie hofmeister machbar" Bertold Brecht hatte dieses Stück 1949/1950 für das Berliner Ensemble bearbeitet und Henze hatte den Proben und der Premiere am 15. April 1950 beigewohnt; vgl. Autobiographie S. 109. Dieses Stück wurde anschließen in Theater der Zeit stark diskutiert; vgl. die Abbildung in Mai 1950 S. 33 und die Texte in den folgenden Nummern.
  • "… das stück mit dir gemacht!"Vgl. zu dieser Produktion die Beschreibung in der Autobiographie S. 117f.
  • "… H anfängt für es finden"Dem Brief vom 12. Juni 1951 ist zu entnehmen, dass Henze die Hündin später „Harvey“ genannt hat.
  • grande affair
    • großen Geschichte
  • "pereyfitte"recte "peyrefitte".

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