Brief von H. W. Henze an G. Weil/W. Jockisch, 26. Januar 1960

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[Typoskript]

26 JAN 60
Napoli

Liebe Butzelis,

vielen Dank fuer den Hoffnung,der allerdings nun wirklich bei
den Betrachtern ein ungewoehnliches Gelaechter hervorgerufen
hat,und auchbei[sic] mir selber.*Bin gespannt,was das Haus in Ascona
nun macht – ist der Grundstein gelegt?Ich hoffe es fuer Euch.*

  Hier ist alles sehr still und ganz schoen.Vermisse nichts,
denn die Arbeit geht gut, Prinz dochdoch ist lieb und erfreulich
weil er auch arbeitet (er wohnt jetzt bei mir) und wir sind brav.
Haben Besuch aus Zuerich,nicht was Ihr denkt,sondern einen sues-
sen kleinen australischen Konzertmeister
des Zuericher Opernhaus
der bei mir arbeiten will und es auch tut.*Dann waere noch zu
sagen dass ich componiere,eine pieçe fuer Karajan ,sehr wild
und fuer mich neu,was da aufs Papier kommt.Weihnachten waren
wir in einem von oben und unten durchaus feuchtem Venedig,wo ich
eine entzueckende 20 taegige Influenza einholte die mich sehr
stoerte aber gluecklichweise auch abmagerte,sodass ich fast
aetherisch zu nennen war,leider ist die Pracht schon wieder hin.
Faste jetzt redlich.Aus Hamburg kam mir die news,dass Kaeutner
nunmehr den "Homburg" machen will.Er soll schon mal dort was ge-
macht haben*Aber Paris sagte,er sagte meistens dann doch wieder
ab,also man darf noch nichts for granted nehmen*.Wenn Ihr Euch
ein Bild von der Muehseligkeit des Postverkehrs mit dort machen
koennt,was Euch ja vielleicht gelingt,dann brauche ich nichts
mehr hinzuzufuegen.Und Sierke soll die Ausstattung tun.So enden
die Bluetentraueme*.Inzwischen ist Auden’s Libretto eingetroffen*,
das sehr schoen ist.Freue mich schon sehr darauf.Ausserdem habe
ich auch noch die Freude,in Spoleto den "Prinz" selber zu dirigie-
ren,was mich ausserordentlich  stimuliert und mich in gute Laune
versetzt und die aergerlichen Dinge vergessen*.Auch habe ich einen
neuen Fluegel gekauft (es war Dochdoch’s Idee,er meinte es sei
wichtiger als ein Auto,woran ich gar nicht gedacht hatte) und
nun habe ich wirklich einen nagelneuen Grotrian-Steinweg mit
einem herrlichen Klang.Was macht old Brock?

   Schreibt bitte mal und beschreibt mir alles.Ludwig von Hessen
schrieb mir, er waere von der Elektra Auffuehrung begeistert ge-
wesen.

Herzlichste Cordialitaeten Euer
hänschen

Apparat

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Irmlind Capelle

Überlieferung

  • Textzeuge: Stadtbibliothek München (D-Mst), Monacensia
    Signatur: GW 31

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • helles Papier
    • Faltung: 2mal auf DinA6
    • Umfang

    • 1 Blatt
    • 1 beschriebene Seite
    • Abmessungen: 280x218 [mm] (HxB)
    • Layout

    • einzeilig beschrieben; keine Leerzeichen nach Satzzeichen; Absätze bis auf den ersten mit Einzug 1 cm

Schreibstile

  • 1.
    Maschinenschrift, schwarz.
  • 2.
    Maschinenschrift, rot.
  • 3.
    Handschrift, Henze, Hans Werner, Füller (dunkelblau).

Textkonstitution

  • Folgend: Typoskript, rot
  • Folgend: Typoskript, schwarz
  • "te""er" überschrieben mit "te"
  • "auchbei"sic
  • "ei""ie" überschrieben mit "ei"
  • "te""er" überschrieben mit "te"
  • "sod""dos" überschrieben mit "sod"
  • "… gluecklichweise auch abmagerte, sod ass"Nach dem Wort steht ein nur sehr schwach lesbares Komma.
  • "M""m" überschrieben mit "M"
  • "v""c" überschrieben mit "v"
  • "F""f" überschrieben mit "F"
  • "… Prinz selber zu dirigie ren"Der Trennstrich passte nicht mehr auf das Blatt.
  • "m""l" überschrieben mit "m"
  • "ter""ert" überschrieben mit "ter"
  • Folgend: handschriftlich, Füller (dunkelblau), Henze, Hans Werner

Einzelstellenerläuterung

  • "… hervorgerufen hat,und auchbei mir selber."Der Karikaturist Gerard Hoffnung war Ende September 1959 verstorben. Dies könnte der Auslöser für Weil/Jockisch gewesen sein, Henze einen Hoffnung zu schenken. Ob es sich dabei um eine Originalzeichnung gehandelt hat oder ein Buch ließ sich nicht ermitteln.
  • "… gelegt?Ich hoffe es fuer Euch."Grete Weil und Walter Jockisch planten ein Haus in Contra zu bauen.
  • "… will und es auch tut."Hierbei dürfte es sich um den australischen Konzertmeister des Collegium musicum in Zürich, Brenton Langbein, handeln, für den Henze später sein 2. Violinkonzert schrieb; vgl. Autobiographie, S. 275.
  • pieçe
    • Stück
  • "… dort was ge macht haben"Käutner hatte u. a. an den Hamburger Kammerspielen mitgewirkt; vgl. Michaela Giesing, Ida Ehre und die Hamburger Kammerspiele, in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte.
  • "… noch nichts for granted nehmen"Käutner hatte die Regie bei der Uraufführung des "Prinzen von Homburg" in Hamburg inne; vgl. hierzu den Bericht in der Autobiographie, S. 196–200.
  • "… Ausstattung tun.So enden die Bluetentraueme"Die Regie war eigentlich mit Luchino Visconti geplant; vgl. die weiter oben angegebene Stelle aus der Autobiographie.
  • "… .Inzwischen ist Auden's Libretto eingetroffen"Hierbei handelt es sich um die erste Fassung von "Elegie für junge Liebende".
  • "… und die aergerlichen Dinge vergessen"Henze brachte 1960 bei dem "Festival dei due mondi" in Spoleto "Der Prinz von Homburg" mit dem Hamburger Ensemble zur Aufführung.

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        Mit freundlicher Genehmigung der Hans Werner Henze-Stiftung (Dr. Michael Kerstan).

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