Brief von H. W. Henze an F. Hitzer, 16. September 1971

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[Manuskript]

La Leprara
00047 Marino (Roma)
16 SEPT 71
Lieber frieder,

Dein brief hat mir grosse freude gemacht (ich konnte nicht gleich
antworten, weil ich in eine arbeit verstrickt war)* weisst Du, ich war
traurig, dass keiner da war (rief überall vergebens an) und hätte
auch nicht gedacht dass am dienstag jemand käme, sonst wäre ich
dageblieben. aber verärgert, wie die bürgerliche presse schrieb, bin ich
nicht abgereist, eher froh, wieder nach hause zu kommen (Du hast
ja nun einiges an Italien gesehen) – es war mir sehr
wichtig, zu hören, dass es Euch gefallen hat und dass Du findest, hier
sei ein weg. ich will auch versuchen, ihn weiter zu gehen (und
schon bald eine ganze menge lieder machen, in verschiedensten be-
setzungen und hauptsächlich mit der tendenz dass laien es machen
können)* – die Cuba „Krise“ hat mich auch getroffen und betroffen, ich
kann von hier aus nicht alles verstehen und übersehen. das telegramm an
fidel ist von Carlos franqui, einem seiner engsten ehemaligen mitkämpfer, geschrieben worden.*
meiner meinung nach war es ein fehler, Padilla einzulochen, es wäre
doch so einfach gewesen, mit ihm zu reden falls es da überhaupt was
gab. ich kenne ihn persönlich und weiss dass er alles andere als ein
konterrevolutionär ist. aber er ist so ein typ der halt gern mault. und
sarkastisch sein kann. mich hat es sehr verletzt, dass die ganze sache
eine leichte beute für die reaktionäre und ihre presse werden konnte. ich
hoffe, dass ich bald wieder einmal nach Cuba kann, es ist ja doch
mein grösstes erlebnis von Revolution und hat mir so viel kraft gegeben
für meine bewusstwerdung. hoffentlich sehen wir uns diesen winter, wenn ich
nach münchen komme. bin dort im januar 8–10 tage (für ein konzert)*
würde gern mit Dir reden.

herzliche grüsse, auch an Deine frau,
hans werner

Apparat

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Irmlind Capelle; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: München (Deutschland), Stadtbibliothek (D-Mst), Monacensia
    Signatur: FH B 363

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • dünnes blaues Briefpapier von Henze
    • 1x längs, 1x quer gefaltet
    • WZ: Stege 2,6cm + üblicher Rundstempel mit Pflanze u. Schriftzug
    • Umfang

    • 1 Blatt
    • 1 beschriebene Seite
    • Abmessungen: 2960x214 [mm] (HxB)
    • Zustand

    • gelocht
    • Layout

    • Bei der Unterschrift am alleruntersten Rand hat Henze das "h" noch mit dem blauen Stift geschrieben, dann ganz offensichtlich den Rest mit schwarzem
    • Rand links ca. 3,5cm
    • Anführungszeichen vorne unten, hinten oben

Schreibstile

Textkonstitution

  • "ehemaligen"über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • "… in eine arbeit verstrickt war)"Hiermit dürfte Henze die Arbeit am 2. Violinkonzert meinen.
  • "… dass laien es machen können)"Hier dürfte Henze auf seine Sammlung Voices anspielen.
  • "… engsten ehemaligen mitkämpfer, geschrieben worden."Vgl. die Anmerkung zum vorherigen Brief.
  • "… 8–10 tage (für ein konzert)"Henze sollte am 14. Januar 1972 das zweite Musica Viva-Konzert im Herkulessaal in München dirigieren, musste dies aber wegen plötzlicher Krankheit, wie die Süddeutsche Zeitung am 14. Januar 1972, S. 11 schreibt, absagen. Die Leitung des Konzerts teilten sich Josef Schmidhuber und Rudolf Alberth.

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        Mit freundlicher Genehmigung der Hans Werner Henze-Stiftung (Dr. Michael Kerstan).

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