Brief von H. M. Enzensberger an H. W. Henze, 30. Dezember 1971

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[Typoskript]

berlin den 3o december 1971 Executeur des Hautes Oeuvres,
lieber Hans,
was für ein langes Schweigen! *

!nieder mit allem was uns anödet! oder warum sollten wir uns von unserm eigenen
tiefschwarzen Pessimismus anstecken lassen? sag mir das.

Mit gleicher Post sende ich dir etwas sehr schönes & lustiges
nämlich ein paar original cubanische Musik-Hall-Musiken aus den 2oer und
3oer Jahren, abgekratzt von den Schellack-Platten eines Sammlers in
Kopenhagen, der im Zivilberufe Taxifahrer ist. genau das[sic] was sonst
nirgends mehr zu finden. Eine Art Weihnachts Angebind aus dem karibischen
Kopenhagen. Ich hoffe du kannst das brauchen.* Ich hoffe du hast überhaupt
Lust auf die alte Rachel, noch oder schon wieder. Denn wir brauchen Rachel.
Ohne Rachel geht es überhaupt nicht. Ohne Rachel tötet uns diexxx der Erbs-
brei in den die Revolution sich hierzulande zu verwandeln droht. Kennst
du Erbsbrei? Eine eigentümlich deutsche Konsistenz. Die Verdauungs-
beschwerden sind entsprechend schwer.

Der blöde Adler bombardiert mich
mit Kopien der Briefe mit denen er dich bombardiert. Aber ein Vertrag
läßt sich nicht blicken. Ich habe langsam den Verdacht daß die NETten
Leute mit Schott abschließen und uns um das commission fee bescheießn
wollen. Nach unserm Vertrag mit Schott ist das nämlich theoretisch durch-
aus möglich. Bist du sicher daß Schott dx seine Unterschrift davon ab-
hängig macht, daß die commission vorher geregelt wird?

Hier regnez stürmz
und schneiz. Mein Buch über Durruti ist fast fertig. Nächstes Jahr will
ich weniger machen. Wann singst du mir ein paar Rachel Songs am Telefon
vor? Ich bitte dich, glücklich zu sein.

abrazos para los 365 dias del 72 *
mang

Apparat

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Irmlind Capelle

Überlieferung

  • Textzeuge: Paul Sacher Stiftung (CH-Bps), Sammlung Hans Werner Henze, Abteilung: Korrespondenz
    Signatur: Konvolut: Enzensberger, Hans Magnus

    Quellenbeschreibung

    • Brief (Ts.m.hs.Eintr.u.e.U.), Berlin, 30 Dez 1971 [1 S.]
    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • dünnes helles Papier
    • Umfang

    • 1 Blatt
    • 1 beschriebene Seite
    • Abmessungen: 295x209 [mm] (HxB)
    • Layout

    • anderthalbzeilig, keine Leerzeilen.
    • grundsätzlich beginnen die neuen Absätze in diesem Brief immer dort, wo die alten endeten, nur um eine Zeile versetzt.

Schreibstile

Textkonstitution

  • "… etwas sehr schönes & lustiges"kein Leerzeichen zwischen dem "&" und dem nächsten Wort.
  • "genau das"sic
  • "n""e" ersetzt durch "n"
  • "die"gelöscht durch Überschreibung
  • "d"gelöscht durch Überschreibung
  • "g""i" ersetzt durch "g"
  • Folgend: handschriftlich, Kugelschreiber (schwarz), Enzensberger, Hans Magnus

Einzelstellenerläuterung

  • "3o"recte "30".
  • Executeur des Hautes Oeuvres
    • Schöpfer von Großen Werken
  • "… was für ein langes Schweigen!"Diese Bemerkung lässt darauf schließen, dass der Briefwechsel zwischen Henze und Enzensberger wirklich von Mitte August bis Ende Dezember 1971 unterbrochen war und keine Briefe verloren gegangen sind. In seinem vorangehenden Brief erwähnt Henze ein gemeinsames Telefonat Anfang August 1971.
  • "2oer"recte "20er".
  • "3oer"recte "30er".
  • "… hoffe du kannst das brauchen."Zum Inhalt des Tonbandes vgl. den Brief vom 1. März 1972. Aus diesem Brief wird auch deutlich, dass sich die Versendung des Tonbandes verzögert hat.
  • "bescheießn"recte "bescheißen".
  • "regnez stürmz"recte "regnet’s stürmt’s".
  • "schneiz"recte "schneit’s".
  • abrazos para los 365 dias del 72
    • Umarmungen für die 365 Tage des Jahres 1972
  • "… los 365 dias del 72"Hier hat Enzensberger nicht bedacht, dass 1972 ein Schaltjahr ist und somit 366 Tage hat.

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        Dank

        Mit freundlicher Genehmigung der Erbengemeinschaft Hans Magnus Enzensberger.

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        Alle Rechte an den Briefen Enzensbergers verbleiben bei der Erbengemeinschaft Enzensberger.

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