Brief von H. W. Henze an W. Jockisch, 6. September 1949

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[Manuskript]

lieber walter,

das konnten wir natürlich nicht wissen, dass Du es gut
gemeint hast.* man ist eben zu blöd noch, und in
dieser (mir ja doch sehr neuen) welt der bosheiten
und falschheiten ist man nachher nicht mehr imstande,
zu unterscheiden. deshalb bitten wir beide Dich also
ganz herzlich für unser mißtrauen um entschuldigung.
und ich danke Dir vielmals, dass Du mir geholfen
hast, meinen heinz zu behalten. wir sind nun sehr
froh. ich arbeite jetzt an der ballettmusik zum
„georges dandin“
. – es haben sich ja wohl inzwischen
eine ganze masse tänzer gemeldet, jedenfalls hatte
heinz an alle seine bekannten deswegen geschrieben.

übrigens wird am 1. dezember meine 2. sinfonie
(an der ich in egern arbeitete) in stuttgart vom rund-
funkorchester
performiert*. ich freue mich sehr, dass Du
dann mal endlich ein stück von mir in natura hörst
(falls Du überhaupt da bist in der zeit). was macht
die grete? ein paar mal noch waren wir in
dem college *, um alte filme caligari und metropolis
zu sehen. das publicum war nicht allzu gut. meine
egmont première verlief gut und ich wurde in den
gazetten sehr gelobt*. leider muß ich es nun fast
jeden abend pinseln. außer dass ich dabei manches
lernen und üben kann, ist das doch eine sehr triste
beschäftigung. – habe ein neues zimmer, groß, hell,
separat und unmöblirt. habe es sehr hübsch
eingerichtet und fühle mich sehr wohl.

bitte laß
wieder von Dir hören, sei gegrüsst und trage nichts
nach
Deinem
hänschen

Grüsse
auch an die
Grete

[]

Apparat

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Irmlind Capelle

Überlieferung

  • Textzeuge: Stadtarchiv München, Monacensia
    Signatur: Nachlass Weil/Jockisch

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • dickeres helles Papier
    • Faltung: 2mal auf DinA 6
    • Umfang

    • 1 Blatt
    • 1 beschriebene Seite
    • Abmessungen: 294x209 [mm] (HxB)
    • Layout

    • Eine Nachschrift von Heinz Poll steht auf dem linken Rand um 90° gedreht;
    • Anführungszeichen unten oben
    • Rand: 4cm, Absätze ca. 2cm eingerückt

Schreibstile

Textkonstitution

  • "u""??" ersetzt durch "u"
  • "… Grüsse auch an die Grete"Dieser Gruß ist 1 cm eingerückt und steht links neben der anderen Grußformel. In diesem Gruß ist das "G" von Grüße und Grete mit nur einem gemeinsamen großen G in rotem Buntstift notiert.

Einzelstellenerläuterung

  • "… Du es gut gemeint hast."Hier bezieht sich Henze auf die Vertragsangelegenheit von Heinz Poll mit Stuttgart; vgl. den vorangehenden Brief.
  • "… stuttgart vom rund funkorchester performiert"In Melos wird angezeigt, dass das Konzert mit der Uraufführung von Henzes 2. Sinfonie am 9. Dezember 1949 im Süddeutschen Rundfunk gesendet wird; vgl. auch die Besprechung in Melos 1950, S. 19.
  • "… waren wir in dem college"Wahrscheinlich meint Henze das Auditorium der Universität, das von 1945 bis 1949 von den Besatzungsmächten als Rheinarmee-College genutzt wurde; vgl. https://www.uni-goettingen.de/de/document/download/599bca356963cbd3121d2d9822dd48fc.pdf/Broschuere_Auditorium_010218_Web.pdf.
  • "… in den gazetten sehr gelobt"Am Vorabend von Goethes 200. Geburtstag, am 27. August 1949 führte das Theater Konstanz Goethes Egmont mit der Musik von Ludwig van Beethoven auf. L. E. Reindl schreibt im Südkurier am 30. August 1949 dazu: „Hans Werner Henze dirigierte das Städtische Orchester, das dem Deutschen Theater für die Festaufführung zur Verfügung stand. Es wurde unter seiner energischen und feinfühligen Leitung im ganzen sauber und mit jenem großen Ausdruck musiziert, dessen diese Musik bedarf.“
    • Am Seitenrand ist von ein kurzer Absatz notiert, in dem er um seine offizielle Vertragsauflösung bittet, damit er in Konstanz abschließen kann.

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        Mit freundlicher Genehmigung der Hans Werner Henze-Stiftung (Dr. Michael Kerstan).

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