Brief von H. M. Enzensberger an H. W. Henze, 12. November 1970

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Mein lieber Hans

ein kleiner Zwischenbericht : ich schwebe gut voran jx und
üx lasse mich gerade über den zweiten akt tragen. Die Rachel
gefällt mir jeden Tag besser, ich hoffe das beruht auf Gegenseitig-
keit. Ich bin überzeugt daß wir daraus etwas Gutes machen werden
dem so leicht niemand widerstehen wird.

Dagegen zweifle ich allmählich, ob wir an der richtigen Adresse
sind mit NET und den Leuten in Wien *. Die wollen es nämlich
billig haben. Adler denkt nur an sein Budget, er will überall
sparen. Diese Oper aber wixx kann nicht billig sein. Ihre Autoren
sind nicht gerade die billigsten, aber vor allem wird die
Produktion einigen Aufwand erfordern. Viel Personal, eine
Vedette* als Rachel (vom Kaliber einer Garce Bumphry)[sic] *, allerhand
an Ausstattung, und einen erstklassigen Regisseur. Gastons
Vorschlag, der mir blitzartig einleuchtet: Visconti. Kein
Mensch wird das so gut machen wie er.

Mit alledem aber kommt die Sache in eine Größenordnung, der
Herr Daxx Adler offenbar nicht ganz gewachsen ist. Rachel auf
Sparflamme ist unmöglich. Wenn wir keinen TV-Produzenten finden
der das nötige Geld aufwenden will, dann eben keine TV-Produktion,
sondern gleich Uraufführung in einem Theater ersten Ranges, mit
Visconti. Wenn diese Weltpremiere ein Erfolg wird, dann können
wir uns hinterher aussuchen, mit wem wir die Sache verfilmen
wollen, fürs Fernsehen oder sogar fürs Kino. Das ist ein viel
besserer Weg als der über eine kleinkarierte, unterfinanzierte
Produktion. Bitte überleg dir das.*

Wie ich höre, tragt ihr euch mit dem Gedanken, den Cimarrón im
Fernsehen (Mainz?) zu zeigen. Bei solchen Projekten solltet ihr
mich auch fragen. Nicht nur weil ich eitel genug bin um mich
als Ko-Autor zu betrachten, sondern auch weil mir vielleicht
etwas dazu einfiele. Von der Regie her ist das kein großes Problem.
Trotzdem glaube ich, daß es keiner von uns machen sollte, weder
du noch ich, weil ein Blick "von außen" mehr an dem Werk zu entdecken
findet. Weißt du, was ich vorschlage? Gaston sollte den Film
drehen. Ich kenne die Arbeit, die er in den letzten Wochen für
Wenzel geleistet hat*, udnxxx und das Drehbuch für seinen Film*. Das
ist alles von hervorragender Qualität. Wenzel wäre bestimmt damit


einverstanden, und ich wäre glücklich über eine solche Lösung.

Ich hoffe auf dem Weg nach Caracas zwei oder drei Tage nach Rom
zu kommen, das wäre Ende dieses Monats *. Vorher schicke ich dir
noch einen first draft des Librettos, so weit ich mit der Arbeit
vorankomme, mindestens die ersten zwei Akte (von fünf). Es
wird ein beträchtliches Moment von Sprechtheater dabei sein,
aber ich kalkuliere genau die musikalischen Nummern. Ein
Couplet, ein Duett und einen Wechselgesang (Rumba & Elegie)
habe ich schon fertig, auch einen ersten Chorus.

Lebe wohl, bedenke bitte meine Vorschläge und Gesinnungen,
und bleib mir wohl gesonnen.

abrazos de m

Apparat

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Irmlind Capelle

Überlieferung

  • Textzeuge: Paul Sacher Stiftung (CH-Bps), Sammlung Hans Werner Henze, Abteilung: Korrespondenz
    Signatur: Konvolut: Enzensberger, Hans Magnus

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • helles dünnes Briefpapier
    • Faltung: 2mal auf DinA 6
    • Umfang

    • 2 Blätter
    • 2 beschriebene Seiten
    • Abmessungen: 296x209 [mm] (HxB)
    • Layout

    • anderthalbzeilig, kein Einzug, keine Leerzeilen, Rand links gut 3 cm, auch rechts nicht bis zum Rand beschrieben

Schreibstile

Textkonstitution

  • "c""x" ersetzt durch "c"
  • "j"gelöscht durch Überschreibung
  • "ü"gelöscht durch Überschreibung
  • "a""A" überschrieben mit "a"
  • "h""g" ersetzt durch "h"
  • "L""l" überschrieben mit "L"
  • "wi"gelöscht durch Überschreibung
  • "Da"gelöscht durch Überschreibung
  • "t""z" überschrieben mit "t"
  • "udn"gelöscht durch Überschreibung
  • "… einen Wechselgesang (Rumba & Elegie"Enzensberger hat das Wort versehentlich in der Mitte durch ein Leerzeichen getrennt: Ele gie.
  • Folgend: handschriftlich, Kugelschreiber (schwarz), Enzensberger, Hans Magnus

Einzelstellenerläuterung

  • "197o"recte "1970".
  • "… den L euten in Wien"Mit wem die NET in Wien zusammenarbeiten wollte, ist nicht bekannt, denn in der Korrespondenz fällt immer nur Ortsname.
  • "… erfordern. Viel Personal, eine Vedette"Berühmte Künstlerin.
  • "… Kaliber einer Garce Bumphry )"Hier dürfte Grace Bumbry gemeint sein.
  • "… Produktion. Bitte überleg dir das."Vgl. hierzu den Brief an Adler, den Enzensberger am 30. Dezember 1970 an Henze geschickt hat.
  • "… Wochen für Wenzel geleistet hat"Diese Zusammenarbeit von Gastón Salvatore und Wenzel Lüdecke konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
  • "… das Drehbuch für seinen Film"Hierbei handelt es sich wohl um das Drehbuch zu dem nicht ausgeführten Film "Der Kaiser von China".
  • "… das wäre Ende dieses Monats"Dieses Treffen hat erst nach der Reise nach Venezuela stattgefunden, wie aus einem Brief an Adler vom 30. Dezember 1970 hervorgeht.
  • abrazos
    • Umarmungen

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        Dank

        Mit freundlicher Genehmigung der Erbengemeinschaft Hans Magnus Enzensberger.

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        Alle Rechte an den Briefen Enzensbergers verbleiben bei der Erbengemeinschaft Enzensberger.

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