Brief von H. M. Enzensberger an H. W. Henze, 6. November 1970
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[Typoskript]
bist du wieder da? Es schneit hie‡r und das ist mir gar nicht
recht.
Hab ich dir gesagt daß ich Ende November nach Venezuela reise, für
drei Wochen?
Ich denke viel an die Rachel. Das Szenario steht in seinen Grundzügen
fest, ich habe eine ziemlich genaue Synopsis gemacht.
Den ersten Akt will ich in den nächsten vierzehn Ta‡gen fertigstellen.
Ich habe schon einen Song und das große Duett zwischen Rachel und
Eusebio geschrieben. Die Songs sind von einer unbeschreiblichen
Banalität und Vulgarität, darauf bin ich sehr stolz, hätte mir nie
die Chuzpe zugetraut, so etwas zu schreiben. Ich hoffe auch du
wirst Mut fassen und eine schamlos populäre Musik dazu schreiben.
Es ist ganz klar, daß die Raffiniertheit und sophistication bei
diesem Stück in der Diskontinuität der Teile und ihrer Komposition
liegen muß und nicht in den einzelnen Phrasen.
Kennst du die beiden Platten von Santana? Die solltest du dir
besorgen. Diese Musiker sind A‡frok-amerikaner‡ mit lateinamerikanischem
(mexikanischen‡ und karib‡ischem Einschlag. Die erste Platte heißt ein-
fach Santana, die zweite Santana Abraxas. Auf der zweiten ist ein
Stück namens Samba Pa Ti, das mir mustergültig scheint für die Methode,
die Rachel verlangt: Die Samba beginnt ungeheuer banal, wie ein Bar-
trio, und wird dann im Verlauf des Stückes destruiert. Vielleicht
könnte man sowas für diexxx‡
Rachels Rumba am Ende des ersten Aktes
brauchen (Rachel tritt zum letzten Mal im Tivoli auf, während sich
gleichzeitig Eusebio mit dem Küchenmesser umbringt).
Der langweilige aber harmlose Herr Adler war hier.* Offenbar hat er in
Wien keine großen Verhandlungserfolge erzielt, er schrieb mir
nämlich einen butterweichen Brief, des Inhalts ich möge doch mal erst
das Libretto machen dann könne man ja weitersehen. So gehts freilich
nicht. (Den Cimarrón-Vertrag habe ich endlich bekommen*, allerdings
erst nachdem ich einen Drohbrief nach Mainz
* geschrieben habe.)
Wie wärs wenn du mich anriefst? Ich bräuchte ein bißchen Zuspruch
weil es hier so kalt ist und nicht wirtlich. Wie sehen deine
cubanischen Pläne aus?
leb wohl, un abrazo fuerte
m.
Apparat
Verantwortlichkeiten
- Herausgegeben von
- Irmlind Capelle
- Übertragung
- Irmlind Capelle
Überlieferung
-
Textzeuge: Paul Sacher Stiftung (CH-Bps), Sammlung Hans Werner Henze, Abteilung: Korrespondenz
Signatur: Konvolut: Enzensberger, Hans MagnusQuellenbeschreibung
- Dokumenttyp: Brief
- helles Briefpapier
- Faltung: 2mal auf DinA6
- 1 Blatt
- 2 beschriebene Seiten
- Abmessungen: 296x208 [mm] (HxB)
- anderthalbzeilig, kein Einzug, keine Abstände
Material
Umfang
Layout
Schreibstile
-
1.Maschinenschrift.
-
2.Handschrift, Enzensberger, Hans Magnus, Kugelschreiber (blau).
Textkonstitution
-
Folgend: handschriftlich, Kugelschreiber (blau), Enzensberger, Hans Magnus
-
Folgend:
-
"e""r" überschrieben mit "e"
-
"a""g" überschrieben mit "a"
-
"A""a" ersetzt durch "A"
-
"b""v" ersetzt durch "b"
-
"die"gelöscht durch Überschreibung
-
Folgend: handschriftlich, Kugelschreiber (blau), Enzensberger, Hans Magnus
Einzelstellenerläuterung
-
" a A frok-amerikaner"recte "Afro-amerikaner".
-
"mexikanischen"recte "mexikanischem".
-
"… harmlose Herr Adler war hier."Vgl. die Erwähnung im vorherigen Brief .
-
"… -Vertrag habe ich endlich bekommen"Vgl. den Brief vom 17. Oktober 1970.
-
"… ich einen Drohbrief nach Mainz"Mit "Mainz" meint Enzensberger hier den Schott Verlag.
-
un abrazo fuerte
- eine große Umarmung