Einführung zum 2. Violinkonzert

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zweites violinkonzert (1971)
für Sologeiger, Tonband, Stimmen und 33 Instrumentalisten

1971, zweiundzwanzig Jahre nach meinem ersten, habe ich ein zweites
Violinkonzert
gemacht. Es hat zwar mehrere (ineinander übergehende) Teile
und ein konzertierendes Solo, sodass sich der Titel rechtfertigen lässt,
und man wird später einsehen, dass er keine Verlegenheitslösung ist: aber
das ganze ich doch etwas anderes als ein herkömmliches concerto.

Es ist ein Theaterstück, beinahe, aber nicht ganz. Das Gedicht von
Enzensberger wird dargestellt, auch hörbar gemacht. Das Gedicht hat die
Form der Musik bestimmt. Auch ist etwas von den Versuchen um
action music meiner Art zu finden, Varianten meines Cimarrón und
des langwierigen Weg in die Wohnung der Natascha Ungeheuer: der
Virtuose tritt auf, wie die Romantik ihn gesehen hat, als Zauberkünstler
und tragikumwitterter Hexenmeister, hier allerdings in der Version eines
in Dialektik verstrickten Baron Münchhausen, der bis zum Ende der
Komposition vergeblich versucht, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu
ziehen, beziehungsweise: mit nicht endenwollendem Optimismus weiterzu-
fiedeln.

Von Zeit zu Zeit sind Kontrapunkte zu seinem Spiel von anderen Geigen zu
hören, deren Passagen durch Synthesizer verfremdet werden. Fragmente von
elisabethanischen und romantischen Musiken tauchen auf und versinken, sie
können als Hör-Wegweiser genommmen werden, könnten aber auch Hör-Fallen
sein und zu Denk-Trugschlüssen führen. Die Polyvalenz von geschlossenen
Formen, Aleatorik, Überschneidungen von Gesangsszene, Konzertmusik und Theater,
ist so gedacht, dass sie auf den ersten Blick, beim ersten Hören, Vergnügen
machen soll, und so spielerisch kommen wie es das Gedicht Enzensbergers zu
tun scheint. Der Hörer sollte aber da nicht stehen bleiben.

Der Gegenstand, des Gedichts, das Theorem des Mathematikers


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Gödel*, wird im Idealfall vom Solisten rezitiert. Es lautet
(in Enzensbergers Fassung)

"In jedem genügend reichhaltigen Systemlassen sich Sätze formulieren,die innerhalb des Systemsweder beweis- noch widerlegbar sind,es sei denn das Systemwäre selber inkonsistent."

* * *

*)    Kurt Gödel, geboren 1906 in Brünn und seit 1953 in
Princeton tätig, hat sein System Theorem in folgendem
Aufsatz publiziert: Über formal unentscheidbare Sätze der
Principia Mathematica und verwandter Systeme. (Monats-
hefte für Mathematik und Physik, Band 38 (1931) S.
173–198.
)

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