Letter from F. Hitzer to H. W. Henze, September 11, 1969

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Herrn
Hans Werner Henze
La Leprara
Via del Fontanile
Marino (Roma)
Italien

11. September 1969
Lieber Hans Werner Henze,

Ihren Brief fand ich nach unserer Flucht aus Istrien vor –
das schlechte Wetter hatte uns vertrieben. Zum Glück: denn
die Arbeit häuft sich. Wir bringen zur Buchmesse * die ersten
beiden Bücher in unserem Verlag: J. Hájek – Demokratisierung
oder Demontage? Ein Prager Handbuch – und Schütt/Peter/Hüfner
Aktion Roter Punkt –; Hájeks Buch ist die erste umfassende
Analyse der tschechoslowaksichen Krise. Der Autor begnügt
sich keineswegs mit der Systematisiserung der Prozesse im
Jahre 1968, es wird keine Enthüllungsgeschichte sein, sondern
eine Untersuchung der Voraussetzungen der Nach-Januar-Ent-
wicklung. Das Autorenteam beschäftigt sich mit dem Verlauf und
den Materialien der Aktion Roter Punkt in Hannover *: Doku-
mente, Analysen, Perspektiven. Und das muß ja alles lektoriert,
korrigiert und organisiert werden.

Für Ihren Brief bedanke ich mich herzlich. Ich freue mich
auf das längere Gespräch, das auch Sie wünschen. Wenn sie
mir rechtzeitig die Termine eines möglichen Besuchs in Mün-
chen
nennen, könnte vielleicht auch Walser herkommen. Mit
meiner Zeit sieht es so aus, daß Buchmesse und eine Reihe
wichtiger Veranstaltungen im Oktober sowie eine Woche in
der Mitte des November mich ziemlich beschäftigen werden.
Schreiben Sie mir, wenn möglich, zu welcher Zeit es Ihnen
möglich wäre, den Münchner Aufenthalt zu planen. Ich könnte
nämlich außerdem den Leiter des neu gegründeten Frankfurter
Instituts für marxistische Studien, Prof. Josef Schleifstein,
den auch Walser kennt, dazu einladen. Schleifstein ist wohl
einer der gewichtigsten Marxisten in der Bundesrepublik. Na-
türlich hängt es auch davon ab, welche Leute Sie treffen
möchten. Ich meine, im Interesse einer intensiven Diskussion


2
sollte der Kreis nicht allzu groß sein – also nicht mehr
als ich gerade nannte, fürs erste wenigstens. Übrigens
will Walser,und[sic] wir haben uns darüber verständigt, in einem
ähnlich klein gehaltenen Kreis – mit Enzensberger und Weiss
ein Gespräch führen. Ich habe das mehrfach angeregt und fand
auch die Zustimmung von Peter Weiss, den ich während der
Stockholmer Vietnam-Konferenz im Mai traf.*

Dank für die Unterstützung der ADF. Wir haben es jedoch
unterlassen, die Unterschriften öffentlich zu machen: wir
sind zu wenige, und es wäre unklug, jetzt damit zu werben.
Es wird gewißtx Teil unseres Gesprächs sein, warum so wenig
prominente Literaten und Künstler hier mitmachen wollten –
genauer gesagt: insgeheim sympathisieren und öffentlich
gar nichts sagen oder dem wohlmeinenden Sozialdemokratismus anzuhängen.
Es gibt viele subjektive und objektive Gründe dafür.

Bitte schicken Sie uns einen Vorabdruck von Ihrer Arbeit
über "Imperialismus und Kultur". Selbstverständlich wäre
ein Extrakt noch willkommener. Der letzte Termin ist der
20. Oktober, der allerletzte der 25. Oktober. Ich fände es
sehr wichtig und nützlich, wen Sie gerade im Dezember-Heft
Ihre Gedanken zu diesem Thema zur Diskussion stellen würden.*
Wie Sie sich denken können, werden und können wir dieses
Thema nicht in einem Heft abhandeln. Wir beschäftigen uns
damit seit dem Erscheinen der ersten Nummer und werden uns
bestimmt noch einige harte Jahre mit dem Thema zu beschäftigen
haben. Die Situation ändert sich natürlich ständig und es
ilgtxxxx gilt, das Bewußtsein darüber festzuhalten.

In den nächsten Tagen will ich Ihnen die "Alternativen der
Opposition
"
zukommen lassen, die ich gemeinsam mit Reinhard
Opitz
herausgab. Wenn sie Zeit haben, die Aufsätze noch vor
unserem Treffen zu lesen, könnten Sie mir vielleicht Ihre
Meinung dazu sagen.

Mit sozialistischem Gruß und den besten Wünschen für Ihre Arbeit
von Ihrem
(Friedrich Hitzer)

Editorial

Responsibilities

Editor(s)
Irmlind Capelle
Transcription
Irmlind Capelle

Tradition

  • Text Source: Stadtbibliothek München (D-Mst), Monacensia
    Shelf mark: GW 31

    Physical Description

    • Document type: Letter
    • Material

    • dünnes, helles Durchschlagpapier
    • Extent

    • 1 folio
    • 2 written pages
    • Dimensions: 297x213 [mm] (HxW)
    • Condition

    • gelocht
    • Layout

    • anderthalbzeilig; Absätze durch Leerzeile getrennt; linker Rand: 4 cm

Writing styles

  • 1.
    Typescript.
  • 2.
    Handwriting, felt pen/fineliner (black).

Text Constitution

  • "ü""p" replaced with "ü"
  • "sich"added above, handwritten, felt pen/fineliner (black)
  • "of""fo" replaced with "of"
  • "e"added inline
  • "Walser,und"sic
  • "t"deleted by overtyping
  • "sagen oder"added above, handwritten, felt pen/fineliner (black)
  • "e""d" overtyped with "e"
  • "kt""ti" replaced with "kt"
  • "s""S" overtyped with "s"
  • "e"added inline
  • " ilgt"deleted by overtyping
  • "… natürlich ständig und es ilgt"Die Leerstelle vor "ilgt" ist mit ausgeixt.
  • "o""9" overtyped with "o"

Commentary

  • "… sich. Wir bringen zur Buchmesse"Die 21. Frankfurter Buchmesse fand vom 8. bis 13. Oktober 1969 statt.
  • "… Aktion Roter Punkt in Hannover" Mit der "Aktion Roter Punkt" wurde vor allem gegen Fahrpreiserhöhung im Öffentlichen Nahverkehr protestiert. Die erste große Aktion fand im Juni 1969 in Hannover statt.
  • "… Stockholmer Vietnam-Konferenz im Mai traf."Eine Vietnam-Konferenz in Stockholm im Mai 1969 ließ sich bislang nicht nachweisen und sie wird auch nicht in der biographischen Literatur zu Peter Weiss und der Autobiographie von Gunilla Palmstierna-Weiss("Eine europäische Frau" Berlin 2022) erwähnt. Die erste Sitzung des von beiden unterstützten Russell-Tribunals fand bereits vom 2. bis 10. Mai 1967 statt und es ist nicht belegt, dass Friedrich Hitzer daran teilnahm. Es ist aber möglich, dass Gunilla Palmstierna-Weiss und Peter Weiss im Mai 1969 zu einer Konferenz eingeladen hatten, denn sie waren zu diesem Thema sehr engagiert.
  • "… Thema zur Diskussion stellen würden."Am 25. Oktober 1969 sagt Henze mit einem Telegramm den Beitrag für das Dezember-Heft ab.

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        Credits

        Mit freundlicher Genehmigung der Rechtsnachfolge Friedrich Hitzer.

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