Brief von H. W. Henze an H. M. Enzensberger, 28. April 1981

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[Manuskript]

La Leprara
00047 Marino (Roma)
Brüssel, 28. 4. 81
Lieber Mang,

es ist lange her dass wir das letzte mal briefe ausgetauscht haben,
warum hat es eigentlich aufgehört? ich hoffe es geht Dir gut
(kannst Du Dich an München gewöhnen?)* und wünsche Dir dass
es Dir gelingt die dinge in bewegung zu halten. von mir ist
nicht viel neues zu berichten. ich arbeite relativ langsam und
mit einer art besonnenheit die sich wohl am bequemsten
mit meinem fortgeschrittenen alter erklären lässt. neuerdings unterrichte
ich auch schüler (muss deswegen jeden monat einmal für ein
paar tage nach Köln gehen)* und versuche an all diesen sachen
immer noch genug vergnügliches zu entdecken um nicht vor der
einöde allzusehr zu erschrecken. um den bisherigen von mir so ge-
schätzten lebens-standard zu halten der andauernd von der italienischen
inflation bedroht ist, muss ich mindestens so viel arbeiten wie bisher.
daher freut mich dann auch sowas wie der plan, unsere „Cubana“
im Kölner radio zu machen.* ich glaube der herr Banter ist da schon
mit Dir in touch: es ginge um kürzungen der dialoge etc., um
das ganze auf eine die übliche sendezeit zu bringen. das wird
ja wohl alles sich ganz von selbst und folgerichtig entwickeln. inzwischen
habe ich aber weiter überlegt was man mit unserem stück machen
könnte. es gibt nämlich (ausser im fernen Rostock)* gar keine
Zeichen dafür dass irgendein theater es zu geben plant. die schwierig-
keiten mit dem stück sind zwei: erstens die sache mit den


La Leprara
00047 Marino (Roma)
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zwei spielebenen. im funk oder in der TV lassen sich
solche dinge leicht herstellen, aber im theater stossen sie
auf schier unüberwindliche schwierigkeiten (es gibt auch eigentlich
gar keine bühnen mehr die sich die interdisziplinären forderungen
dieser “Cubana“ leisten könnten) es ist halt für die TV ge-
schrieben und das haftet ihr nun als ein mangel an. die andere
schwierigkeit ist die aufwendigkeit der musik. auch da müsste
man einmal den hobel zur hand nehmen. ich habe mir nämlich
gedacht wir könnten eigentlich eine taschen-Cubana machen,* die
mit weniger personen auf der bühne und im orchester auskäme,
mit wesentlich weniger personen. ich wüsste auch wie ich das musikalisch
herstellen könnte, aber ich denke es wäre auch gut wenn Du
Dir überlegen würdest wie es für Deinen teil möglich gemacht werden
könnte. sollte vielleicht die ganze sache im zimmer der alten
Rachel spielen (z. b. indem sie die szenen dem dienstmädchen
vorspielt, dem kritiker etc. etc.)? bitte überlege Dir das doch
einmal. ich glaube dass eine solche taschentheaterausgabe sehr viel
fortune haben würde. könnten wir uns nicht einmal treffen und
das ganze durchdiskutieren? ich glaube es wäre der mühe wert.*
bitte schreib mir mal (ich bin ab 10. mai wieder in Marino)
und lass uns versuchen recht bald ein rendezvous zu machen.

tausend grüsse
auch an Gastón
Dein hans

Apparat

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Irmlind Capelle; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Deutsches Literaturarchiv Marbach (D-MB), A: Enzensberger, Hans Magnus
    Signatur: Briefe Hans Werner Henze

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • etwas dickeres, weiß-cremefarbiges Papier; WZ: Dreieck, darin Art Blume mit 4 Glockenblüten, Stegabstände 2,7cm;
    • Faltung: 1xlängs, 1xquer
    • Umfang

    • 2 Blätter
    • 2 beschriebene Seiten
    • Abmessungen: 295x210 [mm] (HxB)

Schreibstile

Textkonstitution

  • "eine"durchgestrichen
  • "fernen"unsichere Lesung
  • "nun"über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • "… Du Dich an München gewöhnen?)"Henze schreibt in seinen Briefen mehrfach, dass er es in München nicht lange aushalte, doch gründete er 1988 die Münchner Biennale (Internationales Festival für neues Musiktheater), die er bis 1996 leitete.
  • "… paar tage nach Köln gehen)"Henze hatte von 1980 bis 1991 eine Professur für Komposition an der Musikhochschule in Köln inne.
  • "… im Kölner radio zu machen."Im WDR wurde im November/Oktober 1982 eine Hörfunkinszenierung von „La Cubana“ produziert, die auch als CD bei wergo erschien.
  • "… (ausser im fernen Rostock )"Die Inszenierung von „La Cubana“ in Rostock hatte am 25. Oktober 1981 Premiere; vgl. Autobiographie S. 485f.
  • "… könnten eigentlich eine taschen-Cubana machen,"Vgl. den Brief von Enzensberger vom 3. Oktober 1972, in dem dieser gleich nach der Fertigstellung eine „kleine Fassung für Sprechbühnen“ anregt.
  • "… es wäre der mühe wert."Diese Idee wurde erst 1990/1991 mit „La piccola Cubana“ umgesetzt. Verhandlungen mit Schott (vgl. einen Brief von Enzensberger an Schott in der PSS zu diesem Thema vom 3. Januar 1993) scheinen aber nicht erfolgreich gewesen zu sein. 1992/1993 hat Henze auch „Lieder und Tänze aus dem Vaudeville La Cubana“ für Mezzosopran und Orchester für Konzertaufführungen arrangiert.

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