Brief von H. W. Henze an P. Sacher, 1. Oktober 1957

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lieber herr dr. sacher

ich bin für einige tage hier in turin, wo der könig
hirsch
ungekürzt an der RAI produziert wird. komme
gerade aus berlin, wo ich mit visconti und babilée
ein ballett gemacht habe (das sehr stark diskutiert
wurde und wird).* während meines berliner aufenthalts
habe ich die arbeit am streicherstück sehr viel weiter-
gebracht, aber bin bei weitem noch nicht am ende.
es soll ja auch sehr schön werden, und ruhig wachsen.
anfang kommender woche bin ich wieder in neapel,
um weiterzuarbeiten.

im moment liege ich auf meinem bett im hotelzimmer,
in gekrümmter position. es ist mir nicht sehr ange-
nehm, was ich jetzt schreiben muss, und der mut dazu
kommt mir auch nur wegen Jhres telefonischen angebots
in london, bzw. glyndebourn, wo Sie sagten dass Sie
wenn ich wollte, mir mein honorar für das streicher-
stück
auch vor beendigung der arbeit überweisen würden.
ich habe nun bei ausbrechendem herbst in der tat einiges
nötig, und wenn Sie daher mir die freundlichkeit er-
weisen könnten, die 2. hälfte des honorars schon zu
schicken (oder wenigstens 1000 francs) wäre ich Jhnen
sehr dankbar. (das stück wird dadurch nicht schlechter ....)29. Juni *
schicken Sie es doch dann bitte an meine adresse
in Neapel (Via Generale Parisi 6, a Monte di Dio) – wobei
es gut wäre, wenn Sie Jhrer bank sagen würden, dass es
das vorige mal grosse schwierigkeiten gegeben hat, weil


der napoletanischen bank die unterschriften der basler
angestellten nicht bekannt waren und diese erst
durch die mailänder filiale bestätigt werden
mussten. dies nur am rande.

eberts hatten Sie in berlin erwartet, vielleicht
sind Sie jetzt gerade dort?* ich habe mit
meinem ballet maratona dem professor vielen
kummer gemacht, glaube ich – es war sehr agressiv
und hat wieder einmal zu störungen geführt, die
hassenswert und ekelhaft und dumm waren.* aber der
professor
hat sich nicht irritieren lassen: es ist
wunderbar, seine treue und väterlich-beschützende
güte zu spüren!

ich hoffe es geht Ihnen beiden gut. kommen Sie
vielleicht nach donaueschingen?* es würde mich
herzlich freuen, Sie beide wiedersehen zu dürfen.

tausend freundliche grüsse
Jhr
hans werner henze

Apparat

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Irmlind Capelle

Überlieferung

  • Textzeuge: Basel (Schweiz), Paul Sacher Stiftung (CH-Bps), Sammlung Paul Sacher
    Signatur: Korrespondenz Hans Werner Henze

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • helles, dickeres Papier
    • Umfang

    • 1 Blatt
    • 2 beschriebene Seiten
    • Abmessungen: 297x210 [mm] (HxB)
    • Zustand

    • gelocht
    • Layout

    • Rand links: 3,5 cm, kein Einzug

Schreibstile

Textkonstitution

  • "29. Juni"am linken Rand hinzugefügt, handschriftlich, Bleistift, Sacher, Paul

Einzelstellenerläuterung

  • "… stark diskutiert wurde und wird)."Die Uraufführung von „Maratona“ fand am 24. September 1957 in Berlin statt; vgl. die Autobiographie, S. 183f.
  • "… nicht schlechter ....) 29. Juni"Am 29. Juni hatte Henze um den ersten Vorschuss gebeten.
  • "… sind Sie jetzt gerade dort?"Die 7. Berliner Festwochen dauerten vom 22. September bis 8. Oktober 1957.
  • "… und ekelhaft und dumm waren." In der Chronik wird ausdrücklich angemerkt: „An diesem Ballettabend [...] kam es zu einem der größten Eklats der Festwochen. Eine halbe Stunde tobte der Kampf der gegensätzlichen Meinungen.“ (S. 15).
  • "… Sie vielleicht nach donaueschingen ?"Im Rahmen der Donaueschinger Musiktage wurden am 20. Oktober 1957 Henzes Nachtstücke und Arien uraufgeführt; vgl. die Autobiographie, S. 182f.

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        Mit freundlicher Genehmigung der Hans Werner Henze-Stiftung (Dr. Michael Kerstan).

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