Brief von H. W. Henze an W. Jockisch/G. Weil, 17. Mai 1952
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Absolute Chronologie
Vorausgehend
- 1952-04-21: an Weil
Folgend
- 1952-06-06: an Jockisch
- 1955-08-09: von Sacher
[Manuskript]
liebe butzis!
hoffentlich seid Ihr back from the U.K. und
erfreut Euch des prächtigsten wohlergehens, was
ich auch von mir sagen kann. über die
postcard habe ich mich sehr gefreut, es scheint
Ihr habt
„daphnis + cloe“
gesehen, worum ich
Euch sehr beneide, wenn ich anderen augenzeugen
meinen glauben nicht umsonst geschenkt habe.*
um auf das lieblingsthema, mich selbst, zu sprechen
zu kommen: mir geht es noch immer köstlich,
da ich schön arbeite (quartetto)* und mir’s
schön gut geht, was hoffentlich anhält. mit
otti habe ich gerade einen sehr scharfen disput
über das ballett, das nun in seiner endgültigen
form nur noch ganz ganz wenig mit dem
original zu tun hat. besonders die hinwegnahme
der päderastischen tiefenpsychologie hat den autor
verbittert.*
harvy und dem wölfchen geht es auch prima, letzterer
hat am 28. d.m. geburtstag, was ich nicht zu
vergessen bitte, und wird wahrscheinlich in tatjana’s
berlin festival productions den rogoshin
* und den
apollon musagète
* tanzen. zu diesem köstlichen zweck
fahren wir am 30. d.m. gen dorten. am 29.
dirigere ich schnell noch für ein trinkgeld
„labyrinth“
in frankfurt. auch ein ballettabend, den ich mit
tatjana auf der biennale mache*, wird das liebe wölfchen
in
„pelleas und melisande“
von schönberg, der kammer-
sinfonie von webern und meinem münchener ballett, dessen
endgültiger titel nun „tancred und cantylène“
heisst* (klav. auszug geht Euch zwecks weiterleitung
an otto krüger zu) unter seinem personalzettel sehen.
entzücken reiht sich also an entzücken.
was ist mit der brückl-meyer-wohnung* in münchen,
liebwerte butza, hast Du Dich köstlicher weise darum
gekümmert, wie versprochen, wenn ja, mit welchen
resultaten? es muss davon dringend gesprochen werden.
schreibt mir also bald recht viel köstliches,
damit ich mich ergötze. habt nur(?)‡ Ihr meine lieben
freunde noel, bill, brian und harry besucht? vor allem,
was macht brian darling? noel wird mein concert
am 14. 9. unter meiner köstlichen leitung spielen.*
nun
Love
Euer
philippo
Apparat
Verantwortlichkeiten
- Herausgegeben von
- Irmlind Capelle
- Übertragung
- Irmlind Capelle
Überlieferung
-
Textzeuge: Stadtbibliothek München (D-Mst), Monacensia
Signatur: GW 31Quellenbeschreibung
- Dokumenttyp: Brief
- beiges, glattes Papier
- Faltung: 2mal auf DinA6
- 1 Blatt
- 2 beschriebene Seiten
- Abmessungen: 297x208 [mm] (HxB)
- kleines Brandloch in der Mitte des Blattes am Ende des 1. Absatzes.
- kein Einzug, Anführungszeichen unten oben
- Rand: 4cm
Material
Umfang
Zustand
Layout
Schreibstile
-
1.Handschrift, Henze, Hans Werner, Füller (blau).
Textkonstitution
-
"nur(?)"durchgestrichen
Einzelstellenerläuterung
-
"… glauben nicht umsonst geschenkt habe."Henze spricht hier sicherlich die Adaption von Frederick Ashton an, die am 5. April 1951 Premiere mit dem Sadler’s Wells Ballet und Margot Fonteyn als Chloe in Covent Garden hatte.
-
quartetto
- Quartett
-
"… schön arbeite ( quartetto )"Die Komposition eines Quartetts ist für diese Zeit nicht belegt, doch schrieb er 1952 ein Bläserquintett.
-
"… tiefenpsychologie hat den autor verbittert."Die Uraufführung der „Pas d’action“ erfolgte am 22. Juli 1952 im Prinzregententheater München; vgl. Autobiographie S. 145.
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"… berlin festival productions den rogoshin"Nach dem Bericht in „Melos“ 1952 S. 290f. tanzte Harald Horn den Regoschin in Henzes Idiot, doch wirkte Wolfgang Leistner in einer anderen Rolle in dem Ballett mit.
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"… rogoshin und den apollon musagète"Titelpartie in Strawinskys „Apollon musagète“.
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"… tatjana auf der biennale mache"Hier ist offensichtlich der Auftritt bei der Biennale in Venedig gemeint – da Henze auch die Berliner Festwochen gelegentlich mit „Biennale“ bezeichnet und die Ereignisse im Jahr 1952 zeitlich verschränkt sind, ist dies nicht ganz eindeutig. In „Melos“ November 1952, S. 330f. wird erwähnt, dass „in letzter Minute“ die gesamte Besetzung der Berliner Festwochen nach Venedig „verpflanzt“ worden war (Zitate S. 330).
-
"… nun tancred und cantylène heisst"Hierbei muss es sich um „Pas d’action“ handeln, die am 22. Juli 1952 im Münchner Prinzregententheater ihre Uraufführung erlebten. Den Titel „Tancredi“ erhielt erst die Suite aus diesem Ballett, die am 15. Januar 1953 in Hamburg Uraufführung hatte.
-
"… was ist mit der brückl-meyer-wohnung"Hierbei könnte es sich um eine Wohnung des Regisseurs Erich-Fritz Brücklmeier handeln.
-
"… unter meiner köstlichen leitung spielen."Henze spricht hier von der Uraufführung des 1. Klavierkonzerts am 14. September 1952 in Düsseldorf, bei der Noel Mewton-Wood das Solo spielte.