Brief von H. W. Henze an H. M. Enzensberger, April 1971

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[Manuskript]

La Leprara
00047 Marino (Roma)
¿6 7 8 9 10 ? April ? 71 Lieber Mang,

vor einigen Tagen schrieb ich Dir ein paar notizen*, hoffentlich habe ich
sie abgeschickt (über Rachel) ich kann sie nicht mehr finden.
arbeite an Gödel

aber ist fast unmöglich, wegen der Heberto-sache*, es macht mich sehr
kaputt und nervös.

dabei wollte ausgerechnet ich Dir schreiben: arbeite ruhig und gemessen!

habe 2 songs für Rachel an Herz geschickt, c/o Komische Oper,
aber denke gerade dass er ja wohl irgendwo in einem sozialistischen Bruder-
wunderstaat inszeniert. muss Dir sagen, dass ich so irritiert bin von allem
dass ich Dich bitten würde, mit mir d’accord zu sein wenn ich vorschlage bei der leisesten irritation seitens Herz oder K. O. , die da kommen möchte,
der K. O. die sache wegzunehmen. für reformisten und lügner ist es ja
auch kein geeignetest sujet.*

I miss you. I was in Berlin for 3 weeks when you’d left. terrible ex-
perience: electronic pro c edures*, so plain, so stupidly hypnotic. but that’s
just the sense in which I used it. in „Gödel“ I might use that
kind of thing again but in a different way, probably in a way more
desperate still. and only shortly showing systems that are inconsistent because of their
lack of inconsistency.
*

where are we going?
please write
phone
talk
hans

dieses prozess-verbal aus der USSR
ist meiner meinung nach furchtbarer als alle Juzenistkys etc.*

Übersetzung von

Apparat

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Irmlind Capelle

Überlieferung

  • Textzeuge: Deutsches Literaturarchiv Marbach (D-MB), A: Enzensberger, Hans Magnus
    Signatur: Briefe Hans Werner Henze

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • mittelblaues Briefpapier La Leprara, dünnes Papier
    • Faltung: 2mal auf DinA6
    • Umfang

    • 1 Blatt
    • 1 beschriebene Seite
    • Abmessungen: 295x215 [mm] (HxB)
    • Zustand

    • Blatt ist rechts leicht nachgedunkelt, oben etwas beschädigt
    • Layout

    • Absätze ohne Einzug, ohne Abstand
    • Rand. 3,5-4 cm

Schreibstile

Textkonstitution

  • "mit mir d’accord … wenn ich vorschlage"über der Zeile hinzugefügt
  • "seitens Herz oder K. O. "über der Zeile hinzugefügt
  • "t"durchgestrichen
  • "c""d" überschrieben mit "c"
  • "… in a way more desperate"Die Schlussbuchstaben des Wortes sind korrigiert. Die ursprünglichen letzten Buchstaben sind nicht mehr zu lesen.
  • "and only shortly"über der Zeile hinzugefügt
  • "verbal"unsichere Lesung
  • "Juzenistkys"unsichere Lesung

Einzelstellenerläuterung

  • "… ich Dir ein paar notizen"Vgl. den Brief vom 30. März 1971.
  • "… unmöglich, wegen der Heberto -sache"Am 20. März 1971 waren Heberto Padilla und seine Frau Belkis Cuza Malé verhaftet worden; vgl. Autobiographie S. 367f.
  • d'accord
    • einverstanden
  • "… auch kein geeignetes t sujet."Diese Pläne mit der Komischen Oper in Berlin haben sich letztendlich zerschlagen, vgl. aber die folgenden Briefe.
  • "… perience: electronic pro c edures"Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um das Ton-Band zu Natascha Ungeheuer. Henze schreibt dazu in seiner Autobiographie (S. 372): „Auch Elektronik kommt darin vor, die habe ich aus selbstaufgenommenen Berliner Straßengeräuschen gewonnen und aus Einzelstimmen und im Studio der Technischen Hochschule in Berlin produziert.“ Die Uraufführung fand am 17. Mai 1971 in Rom statt.
  • "… of their lack of inconsistency."Dies bezieht sich auf Gödels Theorem: „In jedem genügend reichhaltigen System lassen sich Sätze formulieren, die innerhalb des Systems weder beweis- noch widerlegbar sind, es sei denn das System wäre selber inkonsistent.“; vgl. Enzensbergers Gedicht Hommage à Gödel.
  • "… furchtbarer als alle Juzenistkys etc."Diese Anmerkung Henzes könnte sich auf die Veröffentlichungen von Wladimir Bukowski zum Einsatz der Psychiatrie gegen Andersdenkende in der UdSSR Anfang 1971 beziehen, die in Westeuropa stark diskutiert wurde.

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