Zusätze zum Gespräch mit der Songgruppe München

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Ist Beilage zu A042BC0B

Zusätze

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/1

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1. Um diese Dinge bildhaft und eindringlich zu machen (besonders dem „ungebildeten“ Publikum) verlässt
die Musik verlässt ihren traditionellen Spielraum. Lateinamerikanische Rhythmen
werden „live“ zitiert, die Instrumentalisten, von kurzen Notenzeichen
oder auch nur graphischen Parametern angeleitet, improvisieren, werden zu
Akteuren. Als bekannt vorauszusetzende Symbole (Melodien z. B.) tauchen
auf wie Leitfäden, erlauben es dem Hörer, “einverstanden“ zu sein
und den Sinn der Sache nicht aus den Augen, oder besser aus den Ohren,
zu verlieren. Musikinstrumente werden spektakulär zu Arbeitsgeräten, auch
zu Foltermaschinen, später verwandeln sie sich in Waffen. Alle Vorgänge,
Steine die fliegen, Machetes die blitzen und scharf zuschlagen,
besoffene Yankees in den Strassen der „befreiten“ Stadt Havanna,
korrupte Pfaffen, das Ave Maria im Sklavenlager usw. usw., bekamen
klanglich-bildhafte Entsprechungen, man hört und sieht gleichzeitig, man
hört mit den Augen, sieht mit den Ohren.

2.

*

Ich bin für das Umfunktionieren. Kann mir vorstellen, dass Beat Musik, und mit
ihr alles, was die Bewusstseinsindustrie auf den Markt wirft, zu solcher
Veränderung taugt und dass man ihren ursprünglichen „Sinn“ oder Zweck wie
Waffen gegen sie selber richtet. Schaut euch an, was die Cubaner
machen, mit Elektronik auf Massen-Ralleys*, mit ihrer avantgardistischen
Graphik. Selbst die ehemalige Rundfunk-Reklame ist geblieben: in der gleichen* Taktik,
mit der früher Warenanpreisungen über den Aether gingen, werden heute
Slogans der Revolution ausgestrahlt. Dies nur als Beispiel. Mich haben die
Cubaner da sehr ermutigt. Habe gerade ein Stück gemacht der lang-
wierige Weg in die Wohnung der Natascha Ungeheuer
, auf einen Text
von Gastón Salvatore, bei dem ich zahlreiche “Manieren“ der systemimmanenten
Avantgarde-Musik gebrauche um das Selbstportrait eines Links-
bourgeois mit seinen Utopien und Verzweiflungen zustande zu bringen

Das schwerer* zu überwindende Element eines bürgerlichen Schönheits-
prinzips, das im Beat genauso steckt wie in der „ernsten“ Moderne, scheint


/2

mit der Beobachtung wert: Schön, das ist die Kunst der Reichen, hässlich: das ist
die Kunst der Armen. Die bürgerliche Ideologie, und also mit ihr die
ganze Kunstauffassung, versteht unter Schönheit ein Streben nach Perfektion,
nach dem Kostspieligen, dem Besonderen, sie beinhaltet die Fabrikation
von egozentrischen Träumen und [ein Buchstabe unleserlich] sie braucht egozentrische Träumer. Die eletrischen*
Wunderwerke des Beat gehören in dieses Konzept genau so wie die hoch-
polierten o Sinfonieorchester (mit ihrer so bewunderten militärischen Disziplin)
die pausenlos die immer die gleiche Literatur ([kurzes Wort unleserlich] die Bourgeoisie gestohlen
hat)* reproduzieren oder die elitären pseudobuddhistischen Meditationen.
Die Schönheit ist heute: ausgeflippt sein. Die Armut ist heute:
wach werden, skeptisch sein, sich nicht einfangen lassen.

Zusatz 3

*

Meine „Bildung“, mein Musikdenken, mein Dasein ist von der Bourgeoisie
determiniert. [unleserlich] Die Arbeiterklasse hat allen Grund, der ganzen
Kunst aus den letzten Jahrhunderten und aus der Gegenwart mit
Misstrauen zu begegnen, war und ist sie doch automatisch* ein Ausdruck der
der bourgeoisen Herrschaft. Erst nach der Revolution kann und muss das ganze Mateterial s o auf seine Brauch-
barkeit hin neu analysiert werden. Ich befinde mich also in einer schwierigen und
widerspruchsreichen Lage, und mit mir befinden sich alle Künstler, ausnahmslos,
in dieser Lage. Wer von uns dem Volk dienen will, muss sich
verändern, sich und seine Arbeit. Vielleicht kann sie auf ver-
schiedenen Gleisen verrichtet werden, in Kontemplation, dann kritisch und
agressiv im reaktinären Überbau, und vor allem dienend und studierend beim Lernprozess, als
Lernender, an der klassenkämpferischen Basis. Was wir da aber mit unseren
Büchern, Bildern und Musiken tun können, und wie wir uns verhalten diese
Werke anlegen, das setzt ein tiefes und demütiges Verständnis der intellektuellen
Probleme des Arbeiters voraus. Ein paar Fragen, die noch nicht beantwortet sind,
gehen in diese Richtung: Was können wir einem Arbeiter bedeuten? Was können
wir ihm sagen? Wie können wir es ihm sagen? Was teilt sich ihm mit?
Wenn wir in der Klärung dieser Probleme (ich meine noch nicht einmal:
Lösung dieser Probleme) nicht weiterkommen, leben wir, die Künstler, seltsame
Einzelfiguren (mit einem Hang zum Einzelkämpfertum) weiterhin in diesem Vakuum,


Marxisten vielleicht, aber ohne Kommunikation mit der Klasse, auf die es ankommt. Wenn
die Kommunikation nicht zustandekommt – und ihr Zustandekommen hängt
nicht von der Arbeiterklasse ab sondern von uns, das Versagen ist liegt bei
uns, unser, nicht der Arbeiter – nützt auch der luzideste Theoretiker
nichts. Das ist das Problem.

In der musikalischen Praxis sähe das also so aus: den Kontakt mit den
Arbeitern suchen (da können die Organisationen helfen) und heraus-
finden, was gebraucht wird, was nützlich ist, was an Hörvoraussetzungen
existiert, auf die sich denen man aufbauen kann.

Apparat

Entstehung

Überlieferung

  • Textzeuge: Stadtbibliothek München (D-Mst), Monacensia
    Signatur: FH B 363

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Dokument
    • Material

    • helles (beiges) Papier, gelocht
    • Umfang

    • 3 Blätter
    • 3 beschriebene Seiten
    • Abmessungen: 297x210 [mm] (HxB)
    • Layout

    • lR: auf S. 1 ca. 3cm, S. 2 oben 2,5, unten 3,5cm, S. 3: 2,8cm; S. 1/2 einmal längs- einmal quer gefaltet, S. 3 nur einmal quer; die Zahlen etwas ausgerückt
    • Anführungszeichen unten-oben
    • Die Seiten oben am rechten Rand mit "\1", "\2", "\3" nummeriert

Schreibstile

Textkonstitution

  • "die""Die" überschrieben mit "die"
  • "verlässt"durchgestrichen
  • ".""," ersetzt durch "."
  • "… verlässt ihren traditionellen Spielraum ."Der Text begann ursprünglich mit der zweiten Zeile „Die Musik verlässt [...]“. Durch die Ergänzung der ersten Zeile wurden die Korrekturen notwendig.
  • "geräten""instrumenten" ersetzt durch "geräten"
  • "b""B" überschrieben mit "b"
  • "und mit""allg" ersetzt durch "und mit"
  • "ehemalige"über der Zeile hinzugefügt
  • "das"über der Zeile hinzugefügt
  • "egozentrischen"unter der Zeile hinzugefügt
  • "[ein Buchstabe unleserlich]"durchgestrichen
  • "tr""k" überschrieben mit "tr"
  • "o"durchgestrichen
  • "die"durchgestrichen
  • "[kurzes Wort unleserlich]"durchgestrichen
  • "[unleserlich]"durchgestrichen
  • "ein"über der Zeile hinzugefügt
  • "… doch automatisch ein Ausdruck der"Das „der“ steht etwas rechts auf dem Rand und dürfte im Korrekturprozess ergänzt worden sein.
  • "der bourgeoisen""von" ersetzt durch "der bourgeoisen"
  • "und muss das ganze Mateterial"über der Zeile hinzugefügt
  • " o ""ie" überschrieben mit " o "
  • "o"unsichere Lesung
  • "seine""ihre" durchgestrichen und ersetzt mit "seine"
  • "… also in einer schwierigen und" „schwierigen und“ steht etwas rechts auf dem Rand und dürfte im Korrekturprozess ergänzt worden sein.
  • "widerspruchsreichen""unklaren" durchgestrichen und ersetzt mit "widerspruchsreichen"
  • "sich und""und damit auch" durchgestrichen und ersetzt mit "sich und"
  • "reaktinären"über der Zeile hinzugefügt
  • "vor allem"über der Zeile hinzugefügt
  • "uns verhalten"durchgestrichen
  • "vielleicht, aber"über der Zeile hinzugefügt
  • "… von uns, das Versagen ist" „ist“ steht etwas rechts auf dem Rand und dürfte im Korrekturprozess ergänzt worden sein.
  • "liegt bei"durchgestrichen
  • "uns,"durchgestrichen
  • "die sich"durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • "… Zusätze"Vgl. hierzu die Anmerkungen im Begleitbrief.
  • "… Zusätze /1"Dieser Zusatz wurde mit den handschriftlichen Korrekturen bis auf orthographische Anpassungen unverändert übernommen und bildet im Gespräch den 2. Absatz auf S. 520.
  • "… sieht mit den Ohren. 2."Dieser Zusatz wurde mit den handschriftlichen Korrekturen bis auf orthographische Anpassungen und die wenigen Korrekturen, die im Text verzeichnet sind, unverändert übernommen und bildet im Gespräch den 2. und 3. Absatz auf S. 525.
  • "… machen, mit Elektronik auf Massen-Ralleys"Im Druck steht hier „Massen-Meetings“.
  • "… ist geblieben: in der gleichen"Das Wort ist in der Druckfassung gestrichen.
  • "… Das schwerer"Im Druck: „schwer“.
  • "… Träumer. Die ele tr ischen"Das Wort ist in der Handschrift nicht eindeutig zu lesen. Im Druck: „elektronischen“ .
  • "… unleserlich] die Bourgeoisie gestohlen hat)"Im Druck: „(die die Bourgeosie gestohlen hat)“ .
  • "… nicht einfangen lassen. Zusatz 3"Dieser Zusatz wurde mit den handschriftlichen Korrekturen bis auf orthographische Anpassungen und die wenigen Korrekturen, die im Text verzeichnet sind, unverändert übernommen und ist bei Henzes Antwort auf S. 526/527 nach den ersten beiden Sätzen eingefügt.
  • "… und ist sie doch automatisch"Dieses Wort fehlt im Druck.

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