Brief von H. W. Henze an P. Sacher, 14. Januar 1985

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La Leprara
00047 Marino (Roma)
z. Zt. Köln,
d. 14. 1. 85
   Mein lieber Paul,

nun ist es, in wenigen Tagen, ein Jahr her*, dass ich
das Collegium musicum in Zürich dirigierte und mich
dabei auch sowohl auf den Proben als auf dem Konzert
sehr wohl und inspiriert gefühlt habe. Und in diesen Tagen
ist es auch das letzte Mal gewesen dass wir uns gesehen haben.
Nachdem beschlossen ist, dass ich erst im nächsten Oktober wieder
in die Schweiz komm, möchte ich also nicht so viel Zeit
vergehen lassen und möchte z.B. Dir nachträglich ein gutes Neues Jahr
wünschen, ein gesundes und glückliches! und Dir auch ein
wenig Bericht geben von mir und von meiner Arbeit.

Die 7. Symphonie, die ich ja im Oktober in Basel dirigieren
werde, hat am 1. und 2. Dezember in Berlin zu meiner
grössten Freude einen schönen, grossen Erfolg gehabt bei
Orchester, Publikum und Presse. Sie wurde von Gian-Luigi Gelmetti,
einem enorm dicken 35 jährigen Ferraro[sic] -Schüler (und Chefdirigent
des Teatro dell’Opera in Rom) sehr schön dirigiert, ich durfte mir
zuhören und habe das auch getan, mit Aufmerksamkeit und
Bewegung: vielleicht ist es mir wirklich gelungen, einen qualitativen
Schritt (wenn nicht Sprung) zu tun? Mir scheint es so,
obwohl es offensichtlich ist, dass das, was man da hört, das Resultat


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La Leprara
00047 Marino (Roma)
eines jahrzehntelangen Ringens und Studierens und Fehlens und
Sich-Verirrens ist, nichts Sensationelles. Jedenfalls stehe
ich nun am Anfang einer neuen Arbeitsphase, ich
habe gerade die Planung beendet (in den Ferien,
teils auf Zypern, teils in der Provençe) und werde
morgen, nach Rückkehr in das vereiste und verschneite
Marino, mit einem schon angefangenen Stück für Cello und
Orchester, mit dem Titel Sieben Liebeslieder, weiterschreiben.
Es ist für den Heinrich Schiff, die Uraufführung ist
für Januar 87 (!) in Köln (im neuen Konzertsaal,
mit dem WDR Orchester unter Bertini) geplant*. Eigentlich
stand als nächstes dann noch eine neue Oper bevor, ich
habe mich aber nun entschlossen, diesem Plan zu entsagen, denn
ich wäre in grösste Schwierigkeiten gegeben, geraten, in einen
entsetzlichen Zeitdruck, wie früher schon des öfteren, und da
habe ich nun erstmals ganz laut NEIN gesagt und habe
infolgedessen ein schönes Musikjahr ganz für mich allein und
schreibe nur wann ich mag, und ohne Ablieferungstermine

Unter meinen Plänen befindet sich, lieber Paul,
noch immer dieses Stück für einen modernen[sic] Instrumental-
Conzert
, wobei die Gitarre eine führende Rolle spielen soll.
Verstehst Du: Kein Konzert im strenge Sinne, sondern eine
gross besetzte Kammermusik (ca. 12-15 Instrumente) – Du
erinnerst Dich, mir geschrieben zu haben, dass ein Gitarrenkonzert
Dich nicht interessiert: nun, ein Konzert ist es ja nicht , was


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La Leprara
00047 Marino (Roma)
es genau sein wird, kann ich gar nicht voraussehen und
voraussagen, nur, dass ich es bestimmt schreiben werde
und dass ich mich bisher noch nach keinem anderen
Auftraggeber umgesehen habe, das steht fest.* Das sollst
Du doch wissen. Und dass ich es noch dieses Jahr
zu schreiben gedenke, sodass es 1986 in dem Jahr meines
fatalen 60° Geburtstags, oder in dem fatalen Jahr eben
dieses Vorgangs, aufgeführt werden könnte. Soviel an Hinweisen
über diese Angelegenheit!

   Ich hoffe es geht Dir gut –

    Bitte grüsse Maja und den schönen Schönenberg
und nimm eine herzliche Umarmung
von
Deinem
hans werner henze

Apparat

Verantwortlichkeiten

Herausgegeben von
Irmlind Capelle
Übertragung
Elena Minetti; Irmlind Capelle

Überlieferung

  • Textzeuge: Basel (Schweiz), Paul Sacher Stiftung (CH-Bps), Sammlung Paul Sacher
    Signatur: Korrespondenz Hans Werner Henze

    Quellenbeschreibung

    • Dokumenttyp: Brief
    • Material

    • Briefpapier Henze. Büttenpapier. WZ: in der linken oberen Ecke der Seite nach unten weisendes dreieckiges Wappen mit vier Blumen.
    • Faltung: 2mal quer
    • Umfang

    • 3 Blätter
    • 3 beschriebene Seiten
    • Abmessungen: 294x210 [mm] (HxB)
    • Layout

    • Rand links 3 cm; Absätze leicht eingerückt

Schreibstile

Textkonstitution

  • "auch"durchgestrichen
  • "gewesen"unter der Zeile hinzugefügt
  • "… auch das letzte Mal gewesen"Die Einfügung ist zusätzlich mit einer Linie markiert.
  • "z.B."über der Zeile hinzugefügt
  • "… vergehen lassen und möchte z.B."Die Einfügung ist zusätzlich mit einer Linie markiert.
  • "Ferraro"sic
  • "das"über der Zeile hinzugefügt
  • "schon"über der Zeile hinzugefügt
  • "… Marino , mit einem schon"Die Einfügung ist zusätzlich mit einer Linie markiert.
  • "dann"durchgestrichen
  • "noch"über der Zeile hinzugefügt
  • "nun"über der Zeile hinzugefügt
  • "… ich habe mich aber nun"Die Einfügung ist zusätzlich mit einer Linie markiert.
  • "gegeben,"durchgestrichen
  • "geraten,"über der Zeile hinzugefügt
  • "modernen"sic

Einzelstellenerläuterung

  • "… wenigen Tagen, ein Jahr her"Hier irrt Henze ein wenig: Das Konzert mit dem Collegium Musicum Zürich hatte genau am 14. Januar 1984 stattgefunden.
  • "mir"recte "nur".
  • "… Orchester unter Bertini ) geplant"Die Uraufführung fand bereits am 12. Dezember 1986 statt. Solist war Heinrich Schiff, aber Dirigent: David Shallon.
  • "… umgesehen habe, das steht fest."Nachdem Sacher in dem folgenden Brief erneut eine solche Komposition für das Collegium Musicum Zürich abgelehnt hat, schrieb Henze Ode an eine Äolsharfe für die Musikfestwochen Luzern. Wie aus dem Brief vom 24. Oktober 1986 hervorgeht, beteiligte sich Paul Sacher mit 50% an dem Auftragshonorar für dieses Stück, obwohl es in Luzern uraufgeführt wurde.

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